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Politik: „Ich halte den Gesundheitsfonds für überflüssig“

Für den SPD-Gesundheitsexperten Lauterbach ist ein Kernbestandteil der Reform eine Illusion

Die Gesundheitsreform soll erst im April 2007 kommen. Was will die Koalition in den zusätzlichen drei Monaten anfangen?

Wir sollten die Zeit nutzen, noch einmal gründlich nachzudenken, ob wir den Gesundheitsfonds wirklich brauchen. Ich halte ihn für überflüssig. Durch den Fonds werden die Beitragssätze stärker steigen, als das im heutigen System notwendig wäre. Ich rechne mit einem einheitlichen Beitragssatz von mindestens 15,5 Prozent 2008. Das liegt daran, dass etwa die billigen Betriebskrankenkassen aus dem Fonds für ihre Versicherten mehr Geld bekommen werden, als sie für deren Krankheiten ausgeben müssen. Das Geld werden sie nutzen, um gesunde und gut verdienende Versicherte anzuwerben. Viele AOKen, vor allem in den neuen Ländern, werden mit dem Geld nicht auskommen. Sie müssen daher einen Zusatzbeitrag oder eine Kopfpauschale von ihren Versicherten erheben.

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt argumentiert, die Kassen sollten vernünftiger wirtschaften. Dann müssten sie auch keinen Zusatzbeitrag erheben.

Für die Kassen wird es attraktiver, nur noch Einkommensstarke zu versichern, weil nur die genügend Geld haben, um einen Zusatzbeitrag aufzubringen. Bei der AOK in den neuen Bundesländern haben schon jetzt 60 Prozent der Versicherten ein Nettoeinkommen von nur 10 000 Euro im Jahr. Bei denen ist die Belastungsgrenze schnell erreicht. Das lohnt sich für die Kasse nicht. Ich fürchte, dass sich dadurch auch die Versorgung chronisch Kranker verschlechtert. Schließlich sind es häufiger Menschen mit geringem Einkommen, die chronisch krank sind.

Aber die Pauschale soll doch begrenzt werden. Mindestens 95 Prozent der Ausgaben sollen durch den Fonds gedeckt werden.

Das verspricht die Politik, aber ich halte das für eine Illusion. Die Bundesregierung wird doch nicht regelmäßig die Beitragssätze erhöhen wollen. Auf Dauer wird der Teil der Ausgaben, den die Versicherten als Pauschale oder Zusatzbeitrag alleine zahlen müssen, deutlich steigen. Das ist ungerecht und trifft die Schwachen. Schon eine monatliche Pauschale von 30 Euro bedeutet für Rentner eine Beitragserhöhung um drei Prozentpunkte. Das ist nicht zumutbar.

Laut Kanzlerin wird das Gesundheitswesen transparenter und unbürokratischer.

Was soll unbürokratisch sein, wenn künftig 270 Kassen in einen großen Topf einzahlen, von dort das Geld zurückbekommen, und dazu noch komplizierte prozentuale oder pauschale Zusatzbeiträge erheben müssen? Ich kann mir kaum etwas Komplizierteres vorstellen. Der heutige Beitragseinzug funktioniert doch. Wir brauchen weniger Kassen, keinen Fonds.

Der Fonds ermöglicht es SPD und Union, später ihre jeweiligen Ideen umzusetzen.

Auch das ist falsch. Weder für die Bürgerversicherung noch die Kopfpauschale braucht man einen Fonds, das war daher auch in beiden Konzepten nicht vorgesehen. Die SPD hätte den Fonds nur dann akzeptieren dürfen, wenn privat Versicherte auch hätten einzahlen müssen. Dann wäre er akzeptabel.

Die Fragen stellte Cordula Eubel.

Karl Lauterbach (43) sitzt seit 2005 für die SPD im Bundestag. Der gebürtige Rheinländer ist seit 1998 Direktor des Instituts für Gesundheitsökonomie an der Universität Köln.

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