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Politik: „Ich spüre eine gewisse Zaghaftigkeit“

Hessens SPD-Spitzenkandidat Schäfer-Gümbel über seine Partei im Wahlkampf und mögliche Koalitionen.

Herr Schäfer-Gümbel, belastet die Erinnerung an den Wortbruch von Andrea Ypsilanti heute noch den Wahlkampf der Hessen-SPD?

Nein. Seitdem sind fünf Jahre vergangen. Die Situation ist heute eine ganz andere. Wir haben 2009 mit dem schlechtesten Wahlergebnis aller Zeiten einen hohen Preis gezahlt. Daraus hat die hessische SPD gelernt und Konsequenzen gezogen.

Der Versuch Ihrer Vorgängerin, sich entgegen allen Versprechen von der Linkspartei zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen, ging schief. Steht Ihre Koalitionsaussage deshalb unter besonderer Beobachtung?

Wir formulieren hier klar unser Ziel. Und das ist Rot-Grün mit einer möglichst starken SPD.

Kommt auch eine rot-rot-grüne Koalition oder eine geduldete rot-grüne Regierung infrage?

Das beschäftigt uns so wenig wie andere Farbenspiele. Wir wollen eine rot-grüne Koalition.

Sie verweigern eine Aussage dazu, ob die SPD auch in eine große Koalition unter CDU-Führung eintreten oder ob sie auf eine Duldung der Linkspartei setzen könnte?

Ich verweigere keine Aussage. Noch einmal: Ich konzentriere meine Kraft, um eine rot-grüne Mehrheit zu erreichen.

Den Wähler interessiert die Frage aber.

Den Wähler interessiert zunächst einmal, was wir politisch wollen – unsere Inhalte und dann, wie wir sie am besten umsetzen. Die Schnittmengen mit den Grünen sind groß. Deshalb wollen wir Rot-Grün.

Welche Themen sind den Hessen wichtig?

Unser Wahlkampfmotto heißt „Gerechtigkeit macht stark“. Die Zeiten, in der Egoismus die bestimmende Ideologie war, sind vorbei. Wenn wir mehr Gerechtigkeit durchsetzen, haben am Ende alle etwas davon. Das beherzigen wir bei den Themen guter Lohn für gute Arbeit, bezahlbarer Wohnraum, bessere Bildung sowie Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir wollen Veränderung, wir wollen das Land besser machen, wir haben den Mut zur Entscheidung. Das unterscheidet uns von der Landesregierung.

Sie haben ein Gesetz gegen Steuerhinterziehung vorgestellt. Was wollen Sie ändern?

Steuerflucht und Steuerumgehung sind keine Kavaliersdelikte, deshalb müssen wir eine Politik der Null-Toleranz dagegen durchsetzen. Wir wollen der Steuerfahndung einen eisernen Besen in die Hand geben. Dazu sieht unser Gesetzentwurf vor, die Verjährungsfristen für Steuerstraftaten deutlich zu verlängern. Die strafbefreiende Selbstanzeige soll nur noch für Bagatellfälle möglich sein. Denn uns interessieren nicht die kleinen Fische, sondern die großen.

Was tun Sie dafür, dass das Thema beim Wähler auch ankommt?

Wir werden Anfang kommender Woche eine Unterschriftenaktion und eine Kampagne zu diesem Gerechtigkeitsthema starten. Die Bekämpfung von Steuerhinterziehung hat für mich Priorität. Es ist nicht hinnehmbar, wenn einige Millionen ins Ausland verschieben und die Zeche dafür Millionen Arbeitnehmer und Selbstständige zahlen müssen.

Nehmen Sie sich etwa an Roland Koch (CDU) ein Beispiel, der 1999 mit einer Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft die Wahl gewann?

Unterschriftenaktionen sind ein gängiges Mittel in der Politik, mit dem Bürgerinnen und Bürger ihre Meinung kundtun können. Diese Möglichkeit wollen wir ihnen bei diesem wichtigen Gerechtigkeitsthema geben.

Ihr Wahlkampfteam zählt sieben Frauen, aber nur vier Männer. Warum?

95 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts will ich die erste Regierung bilden, in der mehr Frauen als Männer sind. Die Bundes-SPD befürwortet eine Frauenquote für Führungspositionen in der Wirtschaft. Diesen Anspruch richten wir auch an uns selbst, deshalb will ich in Hessen eine Frauenquote für den öffentlichen Dienst einführen. Wir haben in Hessen im Landesdienst einen dramatisch niedrigen Anteil von Frauen in Führungspositionen. Wir können nicht von der Wirtschaft verlangen, Karrierehindernisse abzubauen, und in unserer eigenen Verantwortung überkommene Strukturen bestehen lassen. Mit mir als Ministerpräsident wird in der hessischen Landesverwaltung Schritt für Schritt eine Frauenquote von 50 Prozent eingeführt.

Die Hessen stimmen am selben Tag über die Zusammensetzung von Landtag und Bundestag ab. Ist das für Sie von Nachteil?

Nein. Eine hohe Wahlbeteiligung ist gut für die Demokratie und gut für die SPD.

Darf Peer Steinbrück in Hessen auftreten – oder gehen Sie angesichts der Umfragewerte der Bundes-SPD auf Distanz zu ihm?

Keinesfalls. Peer Steinbrück ist mehrfach bei uns in Hessen aufgetreten und wird noch mehrfach auftreten. Wir kennen die Gesamtlage. Aber die hessische SPD steht sehr engagiert hinter Peer Steinbrück. Wir wollen, dass er Kanzler der Bundesrepublik wird.

Was ist Ihr Rat an die Bundes-SPD?

Wir müssen klar auf Gerechtigkeitsthemen setzen. Und als SPD müssen wir in den nächsten Wochen noch engagierter sagen, was wir wollen. Da spüre ich manchmal eine gewisse Zaghaftigkeit. Jetzt kommt der Wahlkampf in die heiße Phase, und da müssen wir noch mal eine Schippe drauflegen.

Sie sind ein glühender Fan des FC Bayern, sind aber aus Protest gegen den Steuersünder Uli Hoeneß ausgetreten. Sollte er als Präsident zurücktreten?

Ich bin ausgetreten, weil ich den Umgang der gesamten Vereinsführung mit dem Vorgang nicht akzeptabel fand. Das war eine persönliche Entscheidung, ich selbst hatte das nicht öffentlich gemacht. Solange Hoeneß dort Präsident ist, will ich dem FC Bayern nicht angehören.

Würden Sie wieder eintreten, wenn Hoeneß geht oder gegangen wird?

Wie in vielen anderen Fragen gilt auch hier die oberhessische Regel: Ein Kloß nach’m annern. Das entscheide ich dann, wenn es so weit ist.

Das Gespräch führten Hans Monath und Antje Sirleschtov.

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