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Politik: "Ich wünsche mir ein Moratorium"

Gebhard Fürst (53), ist seit Juli 2000 Bischof des Bistums Rottenburg-Stuttgart und seit 2001 Mitglied des Nationalen Ethikrates. Der Fundamentaltheologe gilt als Intellektueller mit liberaler, weltoffener Einstellung.

Gebhard Fürst (53), ist seit Juli 2000 Bischof des Bistums Rottenburg-Stuttgart und seit 2001 Mitglied des Nationalen Ethikrates. Der Fundamentaltheologe gilt als Intellektueller mit liberaler, weltoffener Einstellung. Vor seiner Ernennung zum Bischof war er Direktor der Katholischen Akademie Stuttgart.

Der Nationale Ethikrat hat sich mit knapper Mehrheit für den Import von Stammzellen zu Forschungszwecken ausgesprochen. War es klug, eine Detailfrage der Biotechnologie zu behandeln, bevor man sich ausreichend den grundsätzlichen Problemen widmen konnte?

Das war tatsächlich nicht besonders glücklich. Denn eigentlich hatten wir uns bereits in der ersten Sitzung darüber verständigt, dass wir uns nicht durch äußere Faktoren unter Zeitdruck setzen lassen wollen. Aber dann kam plötzlich die konkrete Frage nach dem Import von embryonalen Stammzellen auf den Tisch. Und da bestand im Ethikrat die Auffassung, dass wir diese Frage nicht einfach unberücksichtigt lassen können. Wir hatten gehofft, dass wir bis Dezember bei der Klärung grundsätzlicher Fragen weiter sein würden - etwa den Fragen, wann das menschliche Leben beginnt, oder was der Status eines Embryos ist. Solche Positionsbestimmungen wären eigentlich die notwendige Voraussetzung für ethische Urteile zu konkreten Sachverhalten.

Der Ethikrat soll ethische Orientierung geben. Was soll man von einem Rat halten, der mit mehreren Zungen spricht?

Der Ethikrat will nach seinem Selbstverständnis keine Empfehlungen aussprechen, sondern lediglich helfen, dass durch das, was wir an Argumenten und Positionen zusammentragen, diejenigen, die am Ende entscheiden müssen, ein qualifiziertes Urteil fällen könnten.

Innerhalb der Katholischen Kirche war es lange Zeit umstritten, ob man sich auf das Wagnis Ethikrat einlassen dürfe. Waren die Sorgen begründet?

Der Ethikrat muss darauf achten, dass er in der Öffentlichkeit in seiner Intention verstanden wird. Hier sehe ich Defizite, denn bei der Beratung zum Import embryonaler Stammzellen ist der Eindruck entstanden, als votiere der Ethikrat mit Mehrheitsentscheidungen. Dies entspricht nicht seiner Aufgabe. Die katholische Kirche wird sich nicht als Legitimationsinstanz für die Bundesregierung instrumentalisieren lassen, um diese oder jene Entscheidung durchzubringen. Ich verstehe meine Rolle so, dass ich die klare Position der Katholischen Kirche im Hinblick auf die ethische Beurteilung biotechnologischer Fragen so gut wie möglich argumentativ im Rat vertrete und andere herausfordere, sie zu hören und sich mit den Argumenten auseinander zu setzen.

Geschieht das denn zur Genüge?

Wir hatten bislang fünf Sitzungen. Das ist relativ wenig für ein derart zentrales und grundlegendes Thema. Deshalb meine ich, dass wir uns mit der Frage nach dem Status des Embryos noch einmal neu auseinandersetzen müssen. Das haben wir dezidiert vor.

Als Vertreter der Katholischen Kirche haben Sie vergleichsweise geringe Spielräume für Kompromisse. Gibt es für Sie Grenzen?

Wenn ich den Eindruck gewinnen würde, dass wir nur zur Garnierung von Beschlüssen oder Gesetzen gebraucht würden, dann könnte ich mir keine Zukunft im Ethikrat vorstellen. Ich erwarte ein faires Miteinander, einen offenen, argumentativ geführten Dialog, die Bereitschaft, einander respektvoll zuzuhören sowie die Absicht, die anderen Positionen verstehen zu wollen.

Müsste man also nicht doch noch einmal auf den Vorschlag eines Forschungsmoratoriums zurückkommen?

Das würde ich mir tatsächlich wünschen, insbesondere mit Blick auf den Import von embryonalen Stammzellen. Wir brauchen mehr Klarheit, mehr Informationen über den Forschungsstand, über die Chancen dieser oder jener Technologie und Forschungsvorhaben. Ich meine, das Parlament sollte jetzt keine Entscheidung für diesen Import treffen und damit ethische Bedenken von einer großen Zahl von Menschen in unserer Gesellschaft beiseite schieben.

Gleichwohl könnten neue Detailfragen an den Ethikrat herangetragen werden, die die Klärung von Grundsatzfragen weiter verzögern.

Gerade zum Thema der Forschung an Embryonen kann ich mir vorstellen, dass einiges von europäischer Ebene auf uns zukommt. Ich hoffe, dass dann nicht alles, was der Ethikrat besprochen und zusammengetragen hat, Makulatur wird. Das ist im Übrigen für mich ein wichtiges Kriterium dafür, ob ich im Ethikrat bleibe oder nicht. Wenn wir nur zusammenkommen, um bereits Geschehenes zu kommentieren, würde Beratung überflüssig.

Bundeskanzler Schröder hat sich gelegentlich sehr grundsätzlich zur Biotechnologie geäußert. Haben Sie das Gefühl, dass er sich persönlich für das, was Sie im Ethikrat machen, interessiert?

Er hat nur an der konstituierenden Sitzung teilgenommen und dabei eine einführende Rede gehalten, in der er dem Ethikrat die Unabhängigkeit zugesichert hat. Von seiner erklärten Absicht, an Diskussionen und Sitzungen des Ethikrates teilzunehmen, hat er bisher noch keinen Gebrauch gemacht.

In früheren Zeiten war die Union der natürliche politische Ansprechpartner der Katholischen Kirche in ethischen Fragen. Stehen Ihnen die Grünen hier nicht heute viel näher?

In der Frage des Embryonenschutzes trifft das zu. Das Papier, das die Grünen-Fraktion verabschiedet hat, ist sehr entschieden und reicht nahe heran an Positionen, die auch in der Bischofskonferenz vertreten werden. Ich bedaure sehr, dass die CDU erst relativ spät in die Debatte eingegriffen hat - und das auch nicht entschieden in die Richtung, die ihr Bekenntnis zum christlichen Menschenbild nahelegen würde. Ich kenne Bemühungen von einer großen Zahl von Abgeordneten, die in ihrer Fraktion darauf hinwirken wollen, dass die christlichen Positionen auch bei politischen Entscheidungen stärker zu Gehör kommen. Ich halte es für notwendig, dass sich CDU und CSU insgesamt eindeutiger für den Schutz des menschlichen Lebens von Anfang an einsetzen.

Der Nationale Ethikrat hat sich mit knapper Mehrhe

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