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Ilisu: Türkei will Staudamm jetzt allein bauen

Noch herrscht Ruhe im Tal des Tigris in Südostanatolien. Von dem 135 Meter hohen und zwei Kilometer langen Staudamm, der dort entstehen soll, ist noch nichts zu sehen. Doch das kann sich bald ändern.

Im April will der türkische Staat mit dem Bau des umstrittenen Damms beginnen. Dass sich Deutschland, Österreich und die Schweiz wegen unerfüllter Auflagen zur Umsiedlung zehntausender Menschen und zum Schutz von Kulturdenkmälern aus dem Milliardenprojekt zurückzogen, kümmert Ankara nicht. Die Türkei will den Damm ungeachtet ausländischer Einsprüche bauen.

Nach dem Ausstieg der drei westeuropäischen Staaten, die das mehr als eine Milliarde Euro teure Projekt mit Kreditgarantien unterstützen wollten, konnte Ankara drei türkische Banken als Geldgeber gewinnen. Umweltminister Veysel Eroglu zufolge soll die staatliche Baugesellschaft Toki im April mit dem Bau eines Kulturparks beginnen, in dem Kulturschätze aus der uralten Stadt Hasankeyf vor den Fluten des Stausees gerettet werden sollen. Auch das Wasserbauamt DSI als Trägerin des Projekts peilt einen Baubeginn im April an. Hasankeyf ist demnach dem Untergang geweiht, mehr als 50 000 Menschen müssen umgesiedelt werden.

Europäische Unternehmen sind an dem Projekt nicht mehr beteiligt – zumindest vorerst. Möglicherweise würden türkische Firmen zuerst den Dammkörper selbst errichten, sagte Ercan Ayboga von der Initiative zur Rettung von Hasankeyf dem Tagesspiegel. Erst wenn die Turbinen für das Wasserkraftwerk am Damm an der Reihe seien, sollten die Europäer wieder ins Spiel kommen. Bis dahin sollten die besonders umstrittenen Umsiedlungen abgeschlossen sein, damit die europäischen Firmen auf Kreditgarantien hoffen könnten. „Wenn es nach diesem Modell läuft, umgehen das Ilisu-Konsortium und die türkische Regierung ihre Niederlage vom vergangenen Jahr“, sagte Ayboga.

Aus Sicht Ankaras ist der Damm unverzichtbar. Mehr Strom und Wasser bedeuten mehr Arbeitsplätze und Hoffnung für die Menschen in der armen Region – und weniger Chancen für die Kurdenrebellen von der PKK, Unterstützung für den bewaffneten Kampf zu finden, so lautet das Argument der Regierung. Auch eine kürzliche Gerichtsentscheidung zum Stopp von Enteignungen im Gebiet des geplanten Stausees wird laut DSI einen baldigen Baubeginn nicht verhindern.

Für die Damm-Gegner lässt diese Art von Entschlossenheit nichts Gutes erwarten. Ob die von den Europäern geforderten Weltbank-Standards für Umsiedlung, Umweltschutz und Rücksicht auf Kulturdenkmäler auch bei einem rein türkischen Ilisu-Projekt berücksichtigt würden, sei unsicher, meint der Ökologe Ali Saysel. Vergangene Woche forderte das EU-Parlament die Türkei auf, das Ilisu-Projekt einzustellen. Doch Ankara will das Vorhaben weiter vorantreiben. „Ilisu ist für die Regierung eine ‚Ehrensache‘ geworden“, sagte Damm-Kritiker Ayboga.

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