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Politik: Illegal – egal?

Die EU-Kommission entscheidet heute über Zuschüsse für in Deutschland verbotene Embryonenforschung

Von Markus Feldenkirchen

und Rainer Woratschka

Mit großer Sorge schaut die Gemeinde der deutschen Biopolitiker dieser Tage nach Brüssel. Am heutigen Mittwoch will die EU-Kommission entscheiden, ob mit europäischen Steuergeldern künftig verbrauchende Embryonenforschung gefördert wird, die in Deutschland verboten ist. 170 Bundestagsabgeordnete hatten dagegen schon vorige Woche ihren Protest angemeldet. „Die Kommission muss einfach Rücksicht darauf nehmen, wenn es wie in Deutschland eine besondere rechtliche Situation gibt“, sagte der Vorsitzende der Bioethik-Enquetekommission, Rene Röspel (SPD), dem Tagesspiegel. „Wir wollen nicht, dass mit deutschen Mitteln etwas gefördert wird, was in Deutschland mit einer Freiheitsstrafe von drei Jahren versehen wird.“ Röspel wies darauf hin, dass sich an der europäischen Forschungslandschaft nichts ändern würde, förderte man die verbrauchende Embryonenforschung nicht aus EU-Töpfen. „Das wäre kein Schaden .“

Ein Sprecher des Forschungsministeriums betonte, dass die Bundesregierung von Anfang an gefordert habe, dass sich die Kommission nicht über nationales Recht hinwegsetzen dürfe. „Wir haben ganz klar auf der Basis verhandelt, die uns der Bundestag mit seinem Beschluss zur Stammzellforschung vorgegeben hat und werden dies auch weiter tun.“, Dennoch müsse man am Ende auch eine andere Entscheidung akzeptieren.

Deutsche EU-Abgeordnete übten allerdings Kritik an der Forschungsministerin. Edelgard Bulmahn (SPD) müsse sich deutlicher gegenüber der Kommission positionieren, sagte Hiltrud Breyer (Grüne) dem Tagesspiegel. „Ich finde ihr Schweigen ein bisschen laut.“ Breyer möchte Bulmahn auch drängen, die Möglichkeit einer Klage zu prüfen. Peter Liese (CDU), Bioethik- Sprecher der EVP- Fraktion im EU-Parlament, sieht ebenfalls Versäumnisse. Bulmahn habe sich zu lange nicht um das Forschungsrahmenprogramm gekümmert. Im Nachhinein sei es „viel schwieriger, Beschränkungen reinzubekommen“.

Gleichwohl hat Breyer den Eindruck, dass die EU-Kommission „kalte Füße bekommen hat“. Mit öffentlichem Druck habe man erreicht, dass die Förderung der Embryonenforschung nicht mehr „so einfach durchgewunken werden kann“. Zu den Gegnern einer liberalen Regelung zählen die Kommissare Loyola de Palacio und Franz Fischler. Romano Prodi neige zwar auch einem restriktiven Kurs zu, ist zu hören. Er wisse aber noch nicht, ob er dem forschen Kurs von Forschungskommissar Philippe Busquin Paroli bieten solle. Günter Verheugen indessen äußerte sich „skeptisch, ob die Argumente der strikten Gegner immer richtig sind“.

Auf dem Tisch haben die Kommissare aber zwei Kompromissvorschläge. Entweder soll das Geld nur fließen, wenn die Stammzelllinien vor einem Stichtag existieren. Oder, wenn die überzähligen Embryonen vorher gezeugt wurden. Dagegen wird vorgebracht, dass überzählige Embryonen auch adoptiert werden könnten. Zudem schaffe man den Anreiz für weitere Produktion. Die Stichtage für beide Kompromisse sollen nämlich in der Zukunft liegen. Folglich widerspräche selbst der Stammzell-Kompromiss deutschem Recht. Hier darf nur an Zellen geforscht werden, die vor dem 7. Januar 2001 isoliert wurden.

Egal wie es ausgeht: Das letzte Wort hat im Herbst der EU-Ministerrat. Gegen allzu liberale Kriterien stimmen dürften dort Deutschland Italien, Spanien, Österreich, Irland und Portugal. Auf mehr Forschungsfreiheit pochen Großbritannien, Schweden und Belgien. Der Rest ist Überzeugungsarbeit.

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