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Das Ausspähen finden Brasilien und Deutschland nun langsam nicht mehr lustig und beschließen eine UN-Resolution auf den Weg zu bringen.

© dpa

Illegale Ausspäh-Aktionen: Deutschland und Brasilien bringen NSA-Affäre vor die Uno

Nicht nur die deutsche Kanzlerin wurde aus den USA bespitzelt, Brasiliens Präsidentin auch. Jetzt bringen beide Länder bei den Vereinten Nationen den Entwurf für eine neue UN-Resolution ein. Ziel: das Ende von illegalen Ausspäh-Aktionen. Derweil rüstet sich auch Europa zum Gegenangriff.

Angesichts der Abhör-Affäre um das Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will Deutschland noch diese Woche bei den Vereinten Nationen eine Resolution gegen das Ausspähen von elektronischer Kommunikation einbringen. Darin werden alle Staaten aufgefordert, Gesetzgebung und Praxis bei Überwachungsaktionen im Ausland auf den Prüfstand zu stellen. Wörtlich heißt es: „Die gleichen Rechte, die Menschen offline haben, müssen auch online geschützt werden - vor allem das Recht auf Privatheit.“ Der Text wurde zusammen mit Brasilien ausgearbeitet, dessen Präsidentin Dilma Rousseff ebenfalls vom US-Geheimdienst NSA bespitzelt wurde. Der amtierende Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte der dpa am Mittwoch: „Ein effektiver Schutz der Privatsphäre lässt sich nur global erreichen. Ich setze auf ein breites Bündnis der Staatengemeinschaft für den Schutz der Privatsphäre.“ In der UN-Vollversammlung mit den insgesamt 193 Mitgliedsstaaten dürfte es dafür eine klare Mehrheit geben. Der Entwurf geht nun zunächst an den zuständigen Menschenrechtsausschuss, der im November darüber beraten wird.

Einen Termin für die Abstimmung in der Vollversammlung gibt es noch nicht. Solche Resolutionen haben keine bindende Wirkung, aber starken symbolischen Charakter. An dem Text wurde bereits gearbeitet, bevor die Bespitzelung von Merkels Handy vor einer Woche bekannt wurde. Die USA werden darin nicht namentlich erwähnt.

Die Resolution soll den Zivilpakt ergänzen

Die Zielrichtung der deutsch-brasilianischen Initiative ist jedoch klar. Weiter heißt es darin, die Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus müssten im Einklang mit dem Völkerrecht stehen. Die illegale Überwachung von privater Kommunikation und das illegale Sammeln von Daten bedrohten die Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft. Die Resolution soll den Titel „Das Recht auf Privatheit im digitalen Zeitalter“ tragen.

Die Vereinten Nationen verfügen bereits über einen sogenannten Zivilpakt, in dem bürgerliche und politische Rechte festgeschrieben sind. Damit werden „willkürliche oder illegale Eingriffe in die Privatsphäre, die Familie, die Wohnstätte oder den Briefverkehr“ eigentlich untersagt. Aus deutschen Regierungskreisen hieß es jedoch: „Die Entwicklungen der vergangenen Wochen haben gezeigt, dass gegen diese Regeln insbesondere im digitalen Raum systematisch verstoßen wird.“ Die Resolution soll den Zivilpakt nun ergänzen.

Europa rüstet sich zum Gegenangriff

Unterdessen rüstet sich Europa in der NSA-Abhöraffäre zum Gegenangriff. Als Konsequenz aus den mutmaßlichen Lausch-und Spähattacken des amerikanischen Geheimdienstes fordern immer mehr prominente Politiker, Europa müsse die technologische Vorherrschaft der USA brechen und sich im IT-Bereich unabhängig machen. “Die Digitalisierung der Welt darf nicht zu einer digitalen Weltherrschaft führen, die sich die Vereinigten Staaten von Amerika und China teilen“, sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt der “Welt“ vom Mittwoch. Frankreich hat bereits verstärkte Anstrengungen angekündigt, um die USA in der Wirtschaftsspionage zu übertrumpfen. Erst Anfang der Woche hatte EU-Justizkommissarin Viviane Reding den Aufbau eines europäischen Geheimdienstes als Gegengewicht zur NSA gefordert.

In Washington bemüht sich unterdessen eine hochrangige Delegation des Bundeskanzleramtes um Aufklärung. Der außenpolitische Berater der Kanzlerin, Christoph Heusgen, und Geheimdienst-Koordinator Günter Heiß sollten sich am Mittwoch im Präsidialamt um Klarheit über die Abhöraktivitäten der NSA in Deutschland bemühen, hieß es in Regierungskreisen. Dabei dürfte es zum einen um die Vorwürfe gehen, dass das Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel seit Jahren vom US-Geheimdienst abgehört wurde. Zur Sprache kommen dürften aber auch die Vorwürfe, dass aus der US-Botschaft in Berlin das Regierungsviertel ausspioniert wird. Dobrindt sagte, Europa müsse Wissen und Geld bündeln und einen “Technologiesprung“ schaffen, wenn es noch als Partner ernst genommen werden wolle. Er griff damit eine Idee auf, über die bereits im Sommer in Deutschland diskutiert wurde.

“Wir brauchen ein politisches Projekt, wie Franz Josef Strauß es bei Airbus formuliert hat“, sagte er. Die europäische Politik hatte damals gezielt den multinationalen Konzern EADS geschaffen, um ein europäischen Gegengewicht zu dem US-Unternehmen Boeing zu schaffen, das den Markt für Verkehrsflugzeuge dominierte. Das Projekt gilt als Erfolgsgeschichte: Heute ist die EADS-Tochter Airbus der schärfste Konkurrent von Boeing, die beiden Firmen liefern sich in vielen Bereichen ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

(dpa,Reuters)

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