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Politik: Im Aufbruch

In Kirgistan herrscht das Chaos. In immer mehr Teilstaaten der ehemaligen Sowjetunion gibt es Unruhen. Was ist aus der GUS geworden?

(Der Tagesspiegel, 26.03.2005)

- Als Auffangbecken hatte sich die GUS im Dezember 1991 gegründet - die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten. Als Warteschleife, in der die Spaltprodukte der implodierten Sowjetunion für die wirkliche Unabhängigkeit trainiert werden sollten, die die meisten gar nicht gewollt hatten.

Denn den Beschluss über die Auflösung der UdSSR fassten Anfang Dezember 1991 bei Nacht und Nebel in den Wäldern Weißrusslands die Chefs von nur vier der insgesamt 15 Sowjetrepubliken: Boris Jelzin für Russland, Leonid Krawtschuk für die Ukraine, Stanislaw Schuschkjewitsch für Weißrussland und Nursultan Nasarbajew für Kasachstan. Eben diese vier Staaten bilden bis heute den harten Kern der UdSSR-Nachfolgegemeinschaft, deren Verfallsdatum Experten damals mit maximal fünf Jahren ansetzten. Mit Recht: Obwohl die Baltenstaaten, die 1940 von Moskau okkupiert wurden und sich nie mit dem Imperium identifizieren konnten, von Anfang an auf Mitgliedschaft in der GUS verzichteten, waren und sind die kulturellen, historischen, religiösen und sprachlichen Unterschiede zwischen Russland und den Ländern, die Moskau sich im Laufe mehrerer Jahrhunderte einverleibte, so beträchtlich, dass eine Staatenkonföderation der Ex-Vasallen unter halbwegs freien Bedingungen keine Zukunft hat.

Die Strukturen der GUS arbeiten denn auch sehr ineffizient, Beschlüsse, meist ohnehin nicht von allen Mitgliedern getragen, werden selten umgesetzt, von einer gemeinsamen Außenpolitik kann nicht die Rede sein. Dass der Scheidungsprozess sich dennoch inzwischen 15 Jahre hinschleppt, hat mehrere Gründe. Allein zunächst wenig lebensfähig, weil in der Sowjet-Ära auf Monokulturen getrimmt und bei der Industrieproduktion von Zulieferungen aus anderen Sowjetrepubliken abhängig, suchten die Mitglieder der Zwölfergemeinschaft vor allem die armen Staaten in Zentralasien und im Kaukasus verzweifelt nach neuen Schwerkraftzentren. Allein oder in regionalen Unterbündnissen der GUS.

Das aber misslang gründlich. Der Westen ignorierte Zentralasien lange, weil die neuen Staaten dort instabil sind und interethnische Konflikte neu aufbrechen können. Das Wirtschaftspotenzial der Türkei und Irans aber - ethnische Verwandte der Zentralasiaten und von diesen als "ältere Geschwister" respektiert - reicht nicht, um den Aufbruch der Region in die Moderne zu finanzieren. Beide verdarben sich zudem anfängliche Sympathien durch diplomatisches Ungeschick und Arroganz. Auch die Wirtschaftshilfe der USA als Gegenleistung für die Öffnung des Luftraums und die Nutzung der Militärbasen in der Region im Vorfeld der Antiterror-Operation in Afghanistan blieb weit hinter den Erwartungen der dortigen Staatschefs zurück. Schon Ende 2001 setzten diese daher auf Wiederannäherung an Russland, wo neoliberale Politiker wie Anatolij Tschubais bereits an den Konturen eines Imperiums light bastelten, um die Ex-Satelliten wieder einzufangen.

Nicht zuletzt mit Energielieferungen zu Vorzugspreisen. Chancen, die nach Anfangserfolgen vergeigt wurden, weil Putin anstatt Profis seinen Tschekisten die Außenpolitik überließ. Die aber verhandeln erklärtermaßen nicht mit der Opposition, sondern nur mit den jeweiligen Machthabern und gelangen daher zu folgenschweren Fehleinschätzungen der realen Situation in den GUS-Staaten. Die erste Quittung dafür bekam Moskau im November 2003 in Georgien, ein Jahr später in der Ukraine und jetzt in Kirgistan. Die nächste Krise droht in Moldawien und langfristig das Ende der GUS. Zumindest dann, wenn der Kreml weiter beratungsresistent bleibt.Moskau, klagte sogar ein kremlnaher Politikwissenschaftler, könne weder mit dem Kommunisten Woronin in Moldawien, noch mit dem Antikommunisten Saakaschwili in Georgien, nicht mit dem prowestlichen Juschtschenko in der Ukraine und nicht einmal mit dem antiwestlichen Herrscher Weißrusslands, Alexander Lukaschenko. Er bezahlt dafür in Kirgistan wahrscheinlich mit einer Flüchtlingswelle ethnischer Russen, die Moskauewig knappen Kassenwarte nicht verkraften kann. (Von Elke Windisch, Moskau) ()

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