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Im BLICK: Freiwillige vor

Es war eine Sturzgeburt, als Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) Mitte März verkündete, die von der schwarz- gelben Koalition geplante Verkürzung des Wehr- und Zivildienstes auf sechs Monate werde nicht erst im Jahr 2011, sondern bereits ab 1. Oktober beziehungsweise ab 1.

Von Matthias Schlegel

Es war eine Sturzgeburt, als Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) Mitte März verkündete, die von der schwarz- gelben Koalition geplante Verkürzung des Wehr- und Zivildienstes auf sechs Monate werde nicht erst im Jahr 2011, sondern bereits ab 1. Oktober beziehungsweise ab 1. August 2010 wirksam. Die Familienministerin von der Schwesterpartei CDU, zuständig für die Belange des Zivildienstes, schien überrumpelt worden zu sein, die Wohlfahrtsverbände waren entsetzt. Und auch der Koalitionspartner FDP war, gelinde gesagt, irritiert. Zwar war die Dienstzeitverkürzung als kleinster gemeinsamer Nenner zwischen den Positionen Ausstieg aus der Wehrpflicht (FDP) und Festhalten am Status quo (Union) in den Koalitionsvertrag geschrieben worden. Doch dass die Liberalen erst zum gleichen Zeitpunkt wie die Opposition von den Plänen Guttenbergs erfuhren, kränkte den Koalitionspartner.

Nun, fünf Wochen später, gibt es immer noch kein fertiges Konzept, weil zwischen den Koalitionären vor allem ein Punkt umstritten ist: die vorgesehene Möglichkeit, den Zivildienst freiwillig auf neun Monate zu verlängern. Die Kanzlerin ist, wie man hört, unwillig über den Zeitverzug, muss doch der Gesetzentwurf wegen der anstehenden Stichtage noch vor der Sommerpause verabschiedet werden.

Die Grünen halten das alles für „Murks im Quadrat“, wie es der jugendpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Kai Gehring, formuliert. Sie forcieren dagegen ihr ureigenes Anliegen: Ausstieg aus Pflichtdiensten, Umbau der Bundeswehr zu einer Freiwilligenarmee und Konversion des Zivildienstes hin zu Freiwilligendiensten. Dieser Tage brachten sie in den Bundestag einen entsprechenden Antrag ein, der auf einem sechsseitigen Fraktionsbeschluss basiert.

Abgesehen davon, dass die Sinnfrage bei einem sechsmonatigen Pflichtdienst nicht mehr zu beantworten sei, halten die Grünen die optionale freiwillige Verlängerung des Zivildienstes auch für verfassungsrechtlich bedenklich: „Wer aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, kann zu einem Ersatzdienst verpflichtet werden. Die Dauer des Ersatzdienstes darf die Dauer des Wehrdienstes nicht übersteigen“, heißt es in Artikel 12a des Grundgesetzes. Die „Verlängerung der Zivildienstzeit durch die Hintertür“ sei ein „gewagtes Konstrukt“, sagt deshalb Gehring. Und er geht davon aus, dass für diese Änderung, die auch Auswirkungen auf die Länder habe, die Zustimmung des Bundesrates nötig sei.

Es klingt visionär, was sich die Grünen als Alternative zum Zivildienst vorstellen: den schrittweisen Übergang zu einem Mix aus mehr sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen, einer Ausweitung der Freiwilligendienste und einem verlässlichen sozialen Arbeitsmarkt. Doch in der Tat, angesichts der demografischen Entwicklung und des Personalnotstands im Pflegebereich ist der Einstieg in einen schrittweisen Systemwechsel überfällig. Lange Zeit war die Unverzichtbarkeit des Zivildienstes ein vorgeschobenes Argument, um die Notwendigkeit der Wehrpflicht zu begründen. Davon muss man sich wohl trennen, um die Zukunft in den Blick nehmen zu können.

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