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Politik: Im Chaos eine Insel der Seligen

Die Unruhen sind an den Hotelanlagen fast spurlos vorübergegangen – deutsche Urlauber berichten

Die Stirn des untersetzten Mannes zieren ernste Sorgenfalten. „Tourismus ist die einzige Industrie, die wir haben“, sagt Mark Okondo. Er ist Manager der Diani Sea Lodge, eines der größten Hotels an der Ostküste Kenias, beliebtes Reiseziel deutscher Urlauber. Seit Beginn der blutigen Unruhen sind die Urlauberzahlen drastisch gesunken. Leere Flugzeuge, arbeitslose Taxifahrer und Kleinbauern ohne Abnehmer – die ganze Volkswirtschaft ist in Gefahr.

Am Moi International Airport in Mombasa herrscht normalerweise reges Treiben, wenn die Flugzeuge aus Europa landen. Taxifahrer überbieten sich mit ihren Sprachkenntnissen. Italienisch, Englisch, Deutsch, jahrelange Erfahrung hat sie gelehrt, mit welchen Begrüßungen sie Fahrgäste gewinnen können. In kleinen Gruppen sitzen sie jetzt im Schatten. Sie wissen, dass es sich heute nicht lohnt, um die Ankömmlinge zu werben. „Es kommen kaum Touristen, die Benzinpreise steigen, da lohnt es sich eher, gar nicht zu fahren“, sagt Taxifahrer Solomon.

Am Gepäckband stehen vereinzelt Einreisende, erwartungsfrohen Blickes und neugierig. Es sind vor allem langjährige Keniareisende, die sich von den Berichten nicht abschrecken lassen. „Proteste und Demonstrationen gibt es auch in Deutschland und Österreich“, sagt Wilfried Moser. Der Wiener Kaufmann kommt zum vierzehnten Mal mit seiner Frau nach Kenia. „An der Küste sind wir doch 800 Kilometer von Nairobi entfernt“, sagt er.

Lange Schlangen sind nur am Abreiseschalter zu sehen. Über die Straße und bis auf den Parkplatz stehen braungebrannte Gesichter in Zweierreihen. Viele Familien und ältere Ehepaare warten auf ihre Rückkehr in den europäischen Winter. Wenige blicken besorgt, einige etwas angespannt. „Wir wären gerne noch eine Woche länger geblieben“, sagt Lothar Betz, der mit seiner Frau Birgit und der neunjährigen Tochter Theresa zwei Wochen in einem Strandresort südlich von Mombasa verbracht hat. „Es gab welche, die gerne mit uns getauscht hätten, aber Montag ist Schulbeginn.“

„Die Maschinen kommen in der Regel leer an und fliegen voll wieder ab“, sagt die Mitarbeiterin einer deutschen Reiseagentur. Die Bilder von brennenden Häusern und kämpfenden Jugendlichen hätten mit der Küstenregion nichts zu tun, sagt sie aufgebracht. Ähnlich sieht das Christian Meier aus Regensburg. „Die Berichte wirkten schon sehr überzogen“, sagt der 43-Jährige. „Die Sicherheit war perfekt.“ Die Unruhen, das zeigen alle Gespräche mit Urlaubern, sind an den Hotelanlagen spurlos vorbeigegangen. Die Hotelmanager hatten die Reisenden aufgefordert, die Anlagen nicht zu verlassen. Hier waren sie sicher. Keiner der befragten Reisenden fühlte sich bedroht.

Zwei Wochen hat er in Kenia verbracht, Safaris gemacht und seinen Urlaub genossen, sagt Christian Meier. Nur einmal, als er mit seiner Reisegruppe auf dem Rückweg vom Tsavo-Nationalpark durch Mombasa musste, da wurde er nervös. Kurz vor der Fähre wurden sie von einer Gruppe Jugendlicher angehalten. Es war der Tag, nachdem Kibaki sich zum Präsidenten ernennen ließ und Oppositionsanhänger im ganzen Land auf die Barrikaden gingen. Der Bus konnte sicher passieren, weil der Fahrer den Jugendlichen ein paar Scheine zusteckte. „Der war auch sichtbar froh, als wir auf der anderen Seite angekommen sind“, sagt Meier. „Danach haben wir ihn alle entschädigt.“

In irgendeiner Weise sind alle Geschäfte von den Touristen abhängig. Fischer verkaufen ihren täglichen Fang frisch an die Hotels, Kleinbauern liefern Gemüse, die Tankstellen verkaufen Benzin an die Busse der Reiseveranstalter und Taxifahrer. Händler verkaufen Bilder an Urlauber, die Restaurants in den Vororten hoffen in der Hochsaison auf ihre Jahreseinnahmen. Gärtner, Köche, Reinigungskräfte, sie alle verdanken ihre Jobs den Urlaubern. Die Hotels versuchen, die Ängste der Urlauber zu zerstreuen. Im Bus vom Flughafen zur Diani Sea Lodge empfängt die Reiseleitung leicht irritierte Gäste mit einem frohem „Jambo, karibu Kenia“, als zwei mit Gewehren bewaffnete Polizisten auf dem Vordersitz Platz nehmen. „Wir sorgen für die Sicherheit unserer Gäste“, sagt Hotelleiter Okondo. Fünf zusätzliche Wachmänner hat er eingestellt, die nachts das schwere Eisentor bewachen und an den hohen weiß verputzten Mauern und auf dem Gelände patrouillieren. „Sollte es zu Engpässen bei den Lebensmitteln kommen, ist ein Großteil der Gäste zu Einschränkungen bereit“, sagen Thomas und Antoinette Glatz. Thomas Glatz fühlt sich wie auf einer Insel der Seligen. „Wir haben hier drinnen immer genug zu essen, aber was die Angestellten zu Hause haben, weiß ich nicht. Vielleicht sollte man das Essen mit ihnen teilen.“

Alexander Glodzinski[Mombasa]

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