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Politik: Im Frieden vereint

UN-MANDAT FÜR IRAK

Von Christoph von Marschall

Wer rausgeht, muss auch wieder reinkommen. An Herbert Wehners Einsicht kommt selbst die konkurrenzlose Supermacht USA nicht vorbei – eine hübsche Fußnote pünktlich zum 140. Geburtstag der SPD. Amerika hat den IrakKrieg gegen den Willen des UN-Sicherheitsrats geführt, legt jetzt aber Wert auf sein Mandat für die Nachkriegszeit. Um es zu bekommen, haben die USA ihren Resolutionsentwurf drei Mal geändert und sind den Kriegsgegnern in vielen Punkten entgegengekommen. „Die Vereinten Nationen sind zurück im Spiel“, triumphiert Frankreichs Außenminister Dominique de Villepin.

Das ist ein guter Tag für alle, die darunter leiden, dass in der Weltpolitik viel zu oft das Dschungelrecht des Stärkeren regiert. Die auf die Stärke des Rechts hoffen. Und daran festhalten, dass der Einsatz von Gewalt sich auf Legalität gründen muss, auf völkerrechtliche Maßstäbe, die für alle gelten. Die düsteren Prophezeiungen zu Beginn des Krieges haben sich nicht erfüllt: Nun seien die UN marginalisiert, das Völkerrecht habe abgedankt. Mit der neuen Resolution sind die Vereinten Nationen offiziell wieder die Autorität, die als einzige das Hineinregieren in ein Land legitimieren kann.

Vielen Kritikern geht das nicht weit genug. Der Krieg werde nicht ausdrücklich verurteilt – was einer indirekten Billigung nahe komme; die Resolution gebe den UN keine wirkliche Mitsprache, sie segne nur ab, was Amerika ohnehin vorhabe; die Vereinten Nationen seien nicht mehr als ein Notar. Die Klagen lassen sich nicht von der Hand weisen und wirken doch etwas realitätsfremd. Amerikaner und Briten hatten wenig Grund zu Unterwerfungsgesten und Büßergewand. Es gab ja die Resolution 1441, von der selbst die Bundesregierung zeitweise sagte, sie genüge als Legitimation. Der Krieg verlief günstiger, als die Gegner erwartet hatten. Und heute haben die UN nichts anzubieten, was im Irak gebraucht wird: Friedenstruppen, den Aufbau einer Verwaltung und Regierung. Der Streit, ob der Krieg ein Rechtsbruch war oder nicht, wird in der Resolution weise vermieden. Sie kann nur dokumentieren, wie weit der neue Wille zur Gemeinsamkeit geht – und ihn als Rechtsgrundlage nutzen.

Die USA kommen mit der neuen Resolution so billig davon, weil die realen Vereinten Nationen fehlerhaft sind und so wenig dem Idealbild entsprechen, das viele Deutsche gerne zeichnen. Sie sind keine Weltregierung, die Amerika die Aufgabe abnehmen und den Irak stabilisieren könnte. Sie sind auch keine höhere moralische Autorität. Die Verhandlungen um den Wortlaut der Resolution zeigten wieder einmal, dass es im Sicherheitsrat nicht selbstlos um das Wohl der Welt geht, sondern um die nationalen Interessen seiner Mitglieder. Geschickt nutzten die USA die Gier der Russen, das Geltungsbedürfnis der Franzosen und das schlechte Gewissen der Deutschen. Jetzt darf Moskau ein paar Monate länger von den milliardenschweren Lieferverträgen des Programms „Öl für Lebensmittel“ profitieren, die es noch mit Saddam geschlossen hat. Frankreich steht nicht mehr einsam in der Ecke und macht sich Hoffnung auf Anteile am Aufbaugeschäft. Die Bundesregierung ist erleichtert über das Ende der Eiszeit. Viel mehr war nicht rauszuholen für die von Amerika gewünschte Aufhebung der Sanktionen. Deren ursprünglicher Grund ist mit Saddam Husseins Sturz entfallen.

Solche lauen Kompromisse sollen ein Grund zur Freude sein? Ja. Für das ferne Ziel einer Weltordnung, die das Völkerrecht achtet, ist ein Nachkriegsirak mit UN-Mandat besser als einer ohne. Wer die Vereinten Nationen stärken möchte, darf sie nicht überfordern. Und muss mit ihnen arbeiten, so wie sie sind. Wir haben keine besseren.

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