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Politik: Im Herzen teuer

Von Heike Jahberg

Liebe ist es nicht. Nicht auf den ersten Blick und auch nicht auf den hundertsten. Fünf Jahre ist es her, dass das Euro-Bargeld zu uns kam und die D-Mark gehen musste. Doch eine rauschende Geburtstagsparty wird es für das Europageld nicht geben.

Dabei mangelt es nicht an Gratulanten. Fast alle Finanzexperten, Volkswirte, Banker, Europa- und Geldpolitiker sind sich einig, dass der Euro eine gute Sache ist. Die Gemeinschaftswährung hat dem Euro-Raum Preisstabilität gebracht, sie hat den Handel innerhalb Europas beflügelt, und sie hat die Finanzmärkte zusammenwachsen lassen. Obwohl die EuroVerweigerer Dänemark, Schweden und Großbritannien zeigen, dass es mit der Wirtschaft auch ohne den Euro aufwärtsgehen kann, hat das exportstarke Deutschland unbestritten von der Gemeinschaftswährung profitiert. Deutsche Firmen müssen nicht mehr befürchten, dass ihre Exporte nach Italien oder Frankreich künstlich verteuert werden, weil Lira oder Franc abgewertet werden. Und auch international steht der Euro glänzend da: Erstmals gibt es mehr Euro- als Dollarbanknoten. Wertmäßig hat die europäische Währung damit den „Greenback“ überholt. Glückwunsch!

Doch die Bürger, die jeden Tag mit Euro und Cent ihre Brötchen, Zeitungen und ihren Kaffee bezahlen, sie feiern nicht mit. Mehr als die Hälfte der Deutschen möchte inzwischen die D-Mark zurück, haben Umfragen ergeben. Das sind heute mehr als früher. Schon vor fünf Jahren wollten viele Menschen nichts mit den bunten, an Spielgeld erinnernden Scheinen zu tun haben. Und auch nicht mit den Münzen, die im Portemonnaie schwer auseinanderzuhalten sind. Damals war es eine Minderheit. Heute sehnt sich die Mehrheit der Deutschen nach der D-Mark zurück.

Schuld daran sind Frisöre, Wirte und Händler. Etliche nahmen die Euro-Einführung zum Anlass, ihre Preise erst einmal kräftig heraufzusetzen. Aus einem Menü für 30 DM wurde über Nacht ein Essen für 30 Euro, ein Haarschnitt für zehn Mark kostete plötzlich zehn Euro. Der Euro wurde zum Teuro, ein Imageschaden, von dem sich die Währung nie mehr richtig erholt hat. Auch wenn die Statistiker betonen, dass der Euro die Preise nicht in die Höhe getrieben hat. Wenn man heute für ein Kilo Äpfel umgerechnet sechs DM und für einen Latte macchiato 5,60 DM ausgeben muss, mag man den Statistiken nicht recht glauben. Einmal Teuro, immer Teuro.

Der Euro hat den Verstand erreicht, aber nicht die Herzen. Noch immer rechnen viele Menschen die Euro-Preise in D-Mark um. Aus reiner Vorsicht: Wer hat nicht schon Trinkgeld in ungewollter Großzügigkeit gegeben, weil er mit Euro bezahlt, aber in D-Mark gedacht hat? Wer mit der D-Mark groß geworden ist, rechnet und fühlt in D-Mark – unbewusst. Der Euro bleibt ein Fremder, es fehlt das Gespür für seinen Wert. Früher hat man seinem Patenkind einen 50-DM- Schein zugesteckt und kam sich großzügig vor, heute wirken 25 Euro irgendwie knickerig.

Die Sehnsucht nach der D-Mark kommt aus dem Bauch. Es ist eine Sehnsucht nach dem Alten und eine Absage an die globale Welt. Sie mag gestrig sein, aber sie ist überall zu spüren. Auch im Osten Deutschlands. „Kommt die D-Mark, bleiben wir, kommt sie nicht, gehen wir zu ihr.“ Das hatten die Menschen in Leipzig und Berlin gerufen, als sie für die Wiedervereinigung auf die Straße gingen. Mit dem „Euro“ hätte dieser Slogan nicht funktioniert.

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