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Politik: Im Kern gespalten

Russland hat Hilfen für Bau eines iranischen Atomkraftwerks eingestellt – Teheran droht mit Alternativen

Die wirklich brisante Neuigkeit stand merkwürdigerweise erst fast am Ende eines Berichts, den ein Mitarbeiter der Moskauer Tageszeitung „Gaseta“ nach einer Iranreise verfasst hatte. In Teheran hatte der Journalist auch mit Präsidentenberater Ali Akbar Dschavanfikr über das Kernkraftwerk in Buschehr gesprochen und Erstaunliches zu hören bekommen: Gern würde Iran das Projekt mit Russland zu Ende führen – es gäbe allerdings auch andere Kandidaten, auf die der Iran zurückgreifen könne, sollte es mit Moskau weiter Probleme geben.

Der Iraner meinte damit offenbar Differenzen beider Seiten zur Finanzierung einer Langzeitbaustelle, in die insgesamt bereits weit mehr als eine Milliarde US-Dollar geflossen sind. Noch während des Schahregimes begann Siemens mit dem Bau des Atommeilers, kündigte nach der Islamischen Revolution Ende 1978 jedoch sämtliche Verträge. Für rund 800 Millionen Dollar erklärte Russland sich Mitte der Neunziger Jahre bereit, die Investitionsruine fertigzustellen. Der erste Reaktor sollte jetzt im September ans Netz gehen. Doch im Frühjahr 2007 stoppte Moskau sämtliche Arbeiten auf der Baustelle und stellte die Lieferung von Kernbrennstoffen ein. Angeblich wegen schlechter Zahlungsmoral Teherans, wo man sich auf Probleme bei der Umstellung von Dollar auf Euro berief. Einen neuen Termin für die Inbetriebnahme gibt es bisher nicht. Denn beide Seiten haben in ihrem Konflikt bei der Auslegung der Verträge bisher nur in Teilaspekten einen Kompromiss gefunden und werfen dem jeweils anderen vor, das Projekt kurz vor der Vollendung aus politischen Gründen zu Fall bringen zu wollen.

Iranische Medien hatten Moskau schon im März vorgeworfen, nicht ergebnisorientiert zu verhandeln und sich massivem Druck aus dem Westen gebeugt zu haben. Mit der Begründung, die Technologien könnten auch für militärische Zwecke verwendet werden, waren die USA gegen den Bau des Kernkraftwerks von Anfang an Sturm gelaufen und hatten sogar dem Kreml vorgeworfen, den Atomwaffensperrvertrag zu unterlaufen.

Teherans Zahlungsverzögerungen kamen Moskau daher sehr gelegen, weil sie Russland bei Bedarf einen Rückzug ohne Gesichtsverlust ermöglichen. Sollte Teheran nicht einlenken, hatte vieldeutig ein Sprecher von Atomstroiexport – dem russischen Generalauftragnehmer – schon im März gedroht, „könnten die Probleme in Buschehr irreversibel werden“.

Der Iran dagegen will offenbar ausgerechnet in Buschehr der internationalen Gemeinschaft vorexerzieren, dass die Islamische Republik inzwischen den gesamten Zyklus, einschließlich der umstrittenen Urananreicherung, aus eigenen Kräften stemmen kann. Dafür sind die Mullahs auch bereit, strategische Partner wie Russland vor den Kopf zu stoßen. Dass Teheran indes beim Fertigbau von Buschehr auf „real existierende Kandidaten“ zurückgreifen kann, halten Beobachter in Moskau angesichts der internationalen Isolation Irans für unwahrscheinlich.

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