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Politik: Im Ring mit Kuhn

Das Renten-Debakel zeigt: Zwischen dem Parteichef und den Grünen-Fraktionschefinnen gibt es große Differenzen

Von Hans Monath

Die Szene war klein, aber bezeichnend: In der turbulenten Debatte der Grünen-Bundestagsfraktion über die Niederlage im Rentenstreit mit der SPD wollte am Dienstag auch Parteichef Fritz Kuhn das Wort ergreifen. Fraktionschefin Krista Sager verwehrte ihm dies mit Hinweis auf die schon geschlossene Rednerliste. Kuhn, der gern selbst die Linien bestimmt, musste sich der Vorgabe beugen, wandte sich beleidigt ab und verließ seinen Platz. Später konnte der Spitzenpolitiker dann doch noch seine eigene Sicht der Verhandlungen mit der SPD vor den Kollegen ausbreiten – sehr ausführlich, wie einige Abgeordnete spitz anmerkten.

Zwar bemühten sich Grünen-Vertreter wie Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck auch am Mittwoch, den Ausgang der Machtprobe in der Koalitionsrunde vom Montag als Erfolg zu verkaufen - schließlich sei mit dem Beschluss über die Expertenkommission zu den sozialen Sicherungssystemen ein „Aufbrechen der Reformblockade“ gelungen. Doch die vielen Gegenstimmen zur Erhöhung der Rentenbeiträge in der Fraktion drücken nicht nur Protest gegen die „starre Haltung“ der SPD aus, wie Beck versicherte. Vielmehr deuten Abgeordnete das Debakel auch als Folge eines Konflikts zwischen dem machtbewussten Kuhn auf der einen und den neuen Frakionschefinnen Katrin Göring-Eckardt und Krista Sager auf der anderen Seite.

Eine Teilschuld an der Niederlage im Ringen mit dem reformunwilligen Koalitionspartner trugen demnach die Grünen selbst: „Wir sind mit unterschiedlichen Ansätzen in die Gespräche gegangen“, lautet die Analyse inhaltlicher Differenzen zwischen den Fraktionschefinnen und ihren Mitstreitern. Göring-Eckardt und Sager hatten über das Wochenende das Thema Generationengerechtigkeit hochgespielt und eine Verschiebung der geplanten Rentenerhöhung ins Gespräch gebracht. Diese Position unterstützte Parteichef Kuhn trotz eines Parteiratsauftrags am Montag offenbar nur halbherzig. Im Streit mit dem Kanzler jedenfalls erhielt Göring-Eckardt für diese Forderung von der eigenen Seite wenig Unterstützung. Umgekehrt kam aus Kuhns Lager der Vorwurf, erst das Vorpreschen der Neuen habe die Niederlage provoziert.

Die Konstellation gewerkschaftsnaher Parteichef gegen reformfreudige Fraktion ist bei den Grünen nicht neu – vor zwei Jahren hatte der neu gewählte Kuhn einen Vorstoß Rezzo Schlauchs zur Tarif-Öffnung abgebürstet. Doch die neuen Fraktionschefinnen scheinen nicht gewillt, sich Vorschriften machen zu lassen - und genießen dabei offenbar die Rückendeckung der Fraktion. Dass sie mit dem Generationenthema auch gegen den in der Rentenfrage äußerst zögerlichen Joschka Fischer stehen, kann ihr Ansehen nur mehren – schließlich galten sie bislang als dessen Statthalterinnen in der Fraktion.

Der Unmut darüber, dass die Grünen nun einen Anstieg der Lohnnebenkosten mitverantworten und noch mehr Geld ins reformbedürftige Rentensystem pumpen, könnte für die Parteispitze gefährliche Folgen haben. Schließlich brauchen Kuhn und seine Kollegin Claudia Roth auf dem Parteitag im Dezember eine Zweidrittelmehrheit für eine Aussetzung der Trennung von Amt und Mandat. Nach dem Willen von Volker Beck sollen auch die Abgeordneten für die Satzungsänderung werben, weil es noch „Aufklärungs- und Vermittlungsbedarf“ gebe. Doch manche Kollegen nehmen Kuhn sein Verhalten im Rentenstreit sehr übel. „Wenn er diese Spielchen so weiter treibt“, sagt eine Abgeordnete voraus, „verliert er am Ende noch die Unterstützung der Fraktion.“

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