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Endlich Baustellen auf der Autobahn? Für Patrick Schnieder ist das eine gute Nachricht.

© Getty Images, Bearbeitung: Tagesspiegel

Im Rückwärtsgang auf die Autobahn: Minister Schnieder macht Verkehrspolitik von vorgestern

Deutschland kann seine Fernstraßen nicht mehr instand halten. Aber der Verkehrsminister feiert den Bau neuer Autobahnen. Den drohenden Kollaps bei Bahn und Wasserstraßen blendet er aus.

Caspar Schwietering
Ein Kommentar von Caspar Schwietering

Stand:

Das war eine bizarre Show, die Verkehrsminister Patrick Schnieder an diesem Dienstag in seinem Ministerium veranstaltet hat. „An vielen Orten in Deutschland wird es bald heißen: endlich Baustellen“, sagte der CDU-Politiker. Danach überreichte er an Abgesandte der Länder Urkunden, die viel neuen Asphalt verheißen.

Schnieder hat drei Milliarden Euro Bundesgelder freigegeben, damit die Länder an 16 Stellen neue Bundesstraßen und an sieben Stellen neue Autobahnen bauen können. Zu der pompösen Preisverleihung, die Schnieder rund um diesen schnöden Verwaltungsakt organisiert hat, kamen auch drei Landesverkehrsminister.

„Heute ist ein phänomenaler Tag, vielen Dank“, sagte Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (CDU). „Es ist ein bisschen so, als hätten wir einen Oskar gewonnen“, meinte er und hielt seine Urkunde für die nun startende Verlängerung der Autobahn 20 in der Hand. All das könnte man komisch finden, wenn es nicht vollkommen an den Anforderungen der Zeit vorbeiginge.

Die Deutsche Bahn steht kurz vor dem Kollaps. Bei tausenden Brücken im Land kann man nicht hundertprozentig sicher sein, dass sie nicht einstürzen. Aber Schnieder feiert, dass er sehr viel Geld für ein paar neue Umgehungsstraßen und einige Kilometer zusätzliche Autobahnen ausgibt.

Hat sich eingebaut: Verkehrsminister Patrick Schnieder bei seiner heutigen Pressekonferenz

© dpa/Markus Lenhardt

Schnieder setzt die Politik seiner CSU-Vorgänger fort

Damit macht er einige Abgeordnete von CDU und CSU glücklich, die Geschenke für ihren Wahlkreis erhalten. Aber Deutschlands riesige Infrastrukturprobleme löst er so nicht. Schnieder knüpft damit an der Verkehrspolitik seiner CSU-Vorgänger Andreas Scheuer, Alexander Dobrindt und Peter Ramsauer an. Seinem Amt aber wird er nicht gerecht.

Schließlich hat Schnieder mit dem Sondervermögen einen sehr großen Schatz erhalten. Schwarz-Rot hat versprochen, dass es mit 500 Milliarden Euro zusätzlichen Schulden endlich Deutschlands Straßen, Schienen, Brücken und Kanäle in Ordnung bringen wird. Das zu organisieren ist Schnieders Aufgabe. Bisher ist er kein guter Hüter dieses Schatzes.

Er hat zwar erreicht, dass Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) ihm etwa 15 Milliarden Euro pro Jahr aus diesem Sondervermögen auszahlt. Aber er ließ zu, dass Klingbeil dafür seinen regulären Etat plündert, um die teuren Wahlgeschenke von CSU und SPD zu finanzieren. Die Stichwörter lauten: Mütterrente, Pendlerpauschale und stabiles Rentenniveau.

Es gibt dringlichere Verkehrsprojekte

Nachdem Klingbeil den Verkehrsetat zusammengestrichen hatte, musste Schnieder kämpfen, um neben den vielen teuren Sanierungsarbeiten bei Autobahnbrücken und der Bahn wenigstens etwas Geld für Neubauprojekte zu erhalten. Klingbeil gab ihm schließlich jene drei Milliarden Euro, die Schnieder nun für Ortsumgehungsstraßen und neue Autobahnkilometer (oft in der Peripherie) verjubelt.

Dabei gäbe es viele dringlichere Verkehrsprojekte. Zuallererst müsste Schnieder für die vernachlässigten Wasserstraßen kämpfen. Bei ihnen gibt es ein Finanzloch von 2,8 Milliarden Euro – nicht bei Ausbauprojekten, sondern bei der Instandhaltung. Neben Schleusentoren und Brücken könnten auch Wehre plötzlich kaputtgehen. Wenn sie brechen, kommt es zu Überschwemmungen.

Geld für Neubau wäre zudem bei der Bahn besser aufgehoben als bei der Straße. Denn das Schienennetz ist an vielen Stellen übervoll. Weil Schnieder für den Bahnneubau kein zusätzliches Geld besorgt, droht die Planung nun bei vielen Projekten gestoppt zu werden, lange bevor sie baureif sind.

Betroffen ist unter anderem auch die Neubaustrecke Dresden–Prag, die Zugfahrten von Berlin nach Prag und Wien beschleunigen und dem Hamburger Hafen eine gute Schienenanbindung nach Mitteleuropa sichern soll. „Das kann nicht das letzte Wort sein“, sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) dazu neulich vorwurfsvoll in Richtung Berlin. Da hat er Recht.

Es gelingt der schwarz-roten Koalition bisher nicht, für einen Aufbruch zu sorgen. Das liegt nicht nur an tollpatschigen Aussagen von Friedrich Merz oder Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD). Es liegt auch daran, dass von den Ministern in der zweiten Reihe wie Patrick Schnieder keine brauchbaren Impulse kommen.

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