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Im Schatten des Präsidenten: Wie viel Mitleid darf man mit Melania haben?

Die First Lady erweckt den Eindruck, als wäre sie im goldenen Käfig gefangen. Längst ist sie zum Befreiungsobjekt der Frauenbewegung geworden. Wieso eigentlich? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Anna Sauerbrey

Es ist kaum zu ertragen. Eine wunderschöne Frau steigt aus einem Flugzeug, an der Seite ihres Mannes. Er schleift sie quer durch die ganze Welt, von Saudi-Arabien bis Hamburg, und dabei entstehen immer wieder diese kleinen Momente der Erniedrigung, die man nicht sehen will, die weh tun, egal, wie sehr man sich selbst vor ungültigen Zuschreibungen warnen muss, sich vor Augen halten muss, dass Melania Trump, die First Lady der Vereinigten Staaten, aus freien Stücken entschieden hat, zu sein, was sie ist.

Wie eine Dreijährige wird sie behandelt

Die Momente sind da, schon seit Beginn ihrer Zeit als Präsidentenehefrau, und bei Trumps G20-Reise setzen sie sich fort. Berühmt ist ein Foto, das Trump und seine Frau zeigt, als sie am Tag seiner Amtseinführung im Weißen Haus ankommen. Barack und Michelle Obama warten auf den Stufen. Er springt aus dem schwarzen Wagen und stürmt auf sie zu, oben auf Melania zu warten. Sie folgt, viele, viele Schritte hinter ihm, ganz in hellblau, in der Hand eine Geschenkschachtel. Als Trump nun in Polen eine Rede hielt, führte Melania ihren Ehemann kurz ein. „Thank you, Melania, that was very nice“, sagte Trump. „Danke, Melania, das war sehr hübsch“ – als sei sie eine Dreijährige, die ihm gerade ein selbstgemaltes Bild gezeigt hatte. Am Freitag nun saß die Frau des Präsidenten wegen Sicherheitsbedenken in ihrem Hamburger Hotel fest . Ein Bild drängt sich auf: Eine einsame, erniedrigte Frau im goldenen Käfig.

Die amerikanische Frauenbewegung hat Melania Trump längst als Befreiungsobjekt entdeckt. #FreeMelania – Rettet Melania, trendete als Twitter-Stichwort, nachdem Trump als Präsident vereidigt worden war. Die Amerikaner diskutierten, ob die Rolle der First Lady überhaupt noch zeitgemäß sei und eine Autorin der New York Times forderte: Pay her! Bezahlt sie. Darf man Mitleid mit dieser vergoldeten Frau haben, die alle Möglichkeiten hat? Ist Melania ein legitimes Objekt für die internationale Frauenbewegung? Oder ist das Mitgefühl nicht Ausdruck jenes weißen Oberschicht-Feminismus, der stets für die falschen Frauen kämpft? Gibt es nicht drängendere Probleme: Mädchenhandel, Beschneidung, gleiche Bezahlung?

Erniedrigung unter aller Augen

Sicher ja. Und dennoch: Gerade weil die kleinen Erniedrigungen unter aller Augen geschehen, weil wir alle Zuschauer sind, sind sie besonders schmerzhaft. Hier passiert auf der Weltbühne, was in vielerlei Form versteckt hinter

Haustüren in vielen Regionen der Welt ständig passiert.

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