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Politik: Im Schatten Merkels

Edmund Stoiber wird auf dem CSU-Parteitag wiedergewählt – mit seinem zweitschlechtesten Ergebnis

Von Robert Birnbaum

Kurz vor Ende seiner Rede hat Edmund Stoiber einen Satz gesagt, der ganz richtig erschien – und sich doch als falsch erweisen sollte. „Die Außendarstellung ist hier sozusagen der entscheidende Punkt“, ruft Stoiber in die Nürnberger Frankenhalle. Ja, was denn sonst ist zu erwarten von einem CSU-Parteitag zwei Wochen vor der Bundestagswahl? Jubel ist zu erwarten, Begeisterung, vorgedruckte Papp-Schilder, auf denen vorne „Aus is, Gerd“ steht und hinten „Wechsel jetzt“. Letzteres eine etwas befremdliche Forderung für eine Staatspartei, aber alle wissen ja, was gemeint ist. Alle wissen auch, was erwartet wird. Nur wird sich Edmund Stoiber beim Blick auf sein Wahlergebnis als Parteivorsitzender sagen müssen, dass sich der Erwartung nicht jeder beugt. Über 93 Prozent sind kein übles Ergebnis. Aber auch kein tolles.

Bevor wir das näher erläutern, muss noch festgehalten werden: Ansonsten hat es mit der Außendarstellung sehr gut funktioniert. Noch am Tag danach sind die Christsozialen stolz auf den Empfang, den sie diesmal Angela Merkel bereitet haben. „Diesmal“ deshalb, weil die Frankenhalle in der Historie der Schwesterparteien belastet ist: Hier hatte die CSU-Spitze 2001 durch demonstrative Zeitungslektüre der CDU-Chefin zu verstehen gegeben, dass sie sie als Kanzlerkandidatin nicht wollte. Das ist Geschichte. „Wir sind sehr lernfähig“, merkt ein CSU-Präside zwischen zwei La-Ola-Wellen an. Diesmal hat die CSU die Kandidatin so lange gefeiert, bis die zwölf Minuten übertroffen waren, die für einen gewissen Gerhard Schröder bei dessen Parteitag gestoppt worden sind. „So was nehmen wir sportlich“, sagt ein Münchner Kabinettsmitglied. Es wäre aber übrigens ganz falsch, den Jubel nur der Parteidisziplin zuzuschreiben. Dass Merkel mit ihrer Rede in durchaus kämpferischem Tonfall die CSU erreicht hat, ist allgemeine Ansicht in den Delegiertenreihen. „Das hat sie gut gemacht“, sagen viele anerkennend.

Am Samstagmorgen kann sich Stoiber denn auch im Einklang mit den Parteifreunden im Saal sehen, wenn er noch einmal an den „großartigen Auftritt“ der Kanzlerkandidatin erinnert. Und anmerkt, dass es so kurz vor der Wahl „nicht irgendwo um eine kleinliche Diskussion“ gehen könne, sondern um Grundfragen, „und da gibt es kein Blatt zwischen Angela Merkel und mir“. Wobei, ganz verkneifen kann er sich das mit der kleinlichen Diskussion nicht: Dass die Umfragewerte der Linkspartei fielen, das zeige doch: „Wir führen die Auseinandersetzung mit Erfolg.“ Das war’s aber auch, der Rest der Rede ist klassisch bayerische Wahlkampfkost: „Weg mit dem rot-grünen Mehltau“, „Vorfahrt für Arbeit“, „aufgeklärter Patriotismus“.

So könnte alles in größter Harmonie enden – müsste nicht die CSU-Spitze neu gewählt werden. Stoibers Rede endet mit der Bitte um einen Vertrauensbeweis. „Die CSU ist meine politische Heimat, ist mein politisches Leben“, ruft er. Der Applaus brandet minutenlang. Dann wird gewählt. Dann kommt das Ergebnis. 93 Prozent – das zweitschlechteste in der Karriere des Edmund Stoiber. Wenn man genauer hinschaut, ist es sogar noch etwas schlechter, weil zusätzlich zu 57 Nein-Stimmen gut 40 der 880 registrierten Delegierten bei dem Votum fehlen und 23 Stimmzettel ungültig sind. Einen „Hinweis“ nennt ein Vorstandsmitglied diese Abstimmung. Im Klartext heißt der so viel wie: Der Parteitag erinnert den Chef daran, dass er Chef nur ist, weil und insoweit er Erfolg verspricht. Ein Hinweis übrigens, der ihm die Entscheidung nicht leichter macht, ob er nach der Bundestagswahl nach Berlin gehen soll oder in München bleibt. Im Moment tippen alle auf München. Es sei denn, es kommt eine große Koalition. „Dann muss er nach Berlin“, sagt ein CSU-Spitzenmann. „Sonst wird Bayern abgehängt.“ Geht es nach dem Applaus bei diesem Parteitag, steht auch fest, wer dann in München regieren würde: Günther Beckstein ist unüberhörbar der Liebling der Partei.

Ein anderer ist es nicht mehr. Horst Seehofer darf – anders als die drei Mit-Vizes – nicht im Tagungspräsidium auf der Bühne sitzen. Aber wer das als Symbol wertet, sieht sich getäuscht: Mit nahezu gleichen Wahlergebnissen um 83 Prozent wird das Quartett der Stoiber-Stellvertreter bestätigt, einzig Ex-Sozialministerin Barbara Stamm ragt mit 87 Prozent etwas heraus. Seehofer, derart ins Glied verwiesen, ist trotzdem erleichtert: „Ich bin froh, dass ich nicht hinter dem Zug herlauf!“

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