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Politik: Im Schatten von Putins Partei

Kaum Chancen für russische Opposition bei Wahl

Direktmandate gibt es nicht mehr. Die 450 Sitze in der russischen Duma werden am Sonntag erstmalig nur über Parteilisten vergeben. So will es das 2005 verabschiedete Parteiengesetz. Politik ist in Russland traditionell stark auf Personen bezogen. Mit politischen Parteien tun sich die Massen schwer. Deren Entstehen erschwert das Gesetz durch verschärfte Zulassungskriterien. Parteien, die nicht Basisorganisationen mit jeweils 10 000 Mitgliedern in mindestens der Hälfte aller Regionen vorweisen konnten, wurden verboten. Ähnlich hoch lag die Latte bei der Registrierung für die Parlamentswahl. Listenvereinigungen und Bündnisse wie „Das andere Russland“ von Ex-Schachweltmeister Garry Kasparow dürfen daher gar nicht erst antreten, gut ein Drittel der gegenwärtig registrierten Parteien scheiterte ebenfalls an Formfehlern oder der zu hinterlegenden Kaution.

Auf den Stimmzettel schafften es schließlich elf Parteien. Zehn davon sehen sich als oppositionell, bringen es zusammen jedoch in den Umfragen auf maximal 35 Prozent. Ihre Vorleute erklären die Misere mit massiven Behinderungen durch die Kremlpartei Einiges Russland mit Präsident Wladimir Putin als Zugpferd. Das ist aber nicht die ganze Wahrheit. Programmdefizite, Profilierungsneurosen und schwere taktische Fehler der Opposition kommen hinzu. Das gilt vor allem für die Demokraten: die sozialliberale Jabloko-Partei und die neoliberale Union der Rechten Kräfte. Sie streben einen Rechtsstaat nach westlichem Muster und eine mehr oder minder sozial abgefederte, deregulierte Marktwirtschaft an. Zusammen kämen beide auf zehn Prozent. Ihre Vereinigung scheiterte jedoch an den Rivalitäten ihrer Führer. Getrennt aber dürften beide an der neuen Sieben- Prozent-Sperrklausel scheitern.

Russlands KP, nach Putins Partei die einzige Massenpartei, kommt bei Umfragen auf 14 Prozent. Doch Gevatter Tod dünnt die Reihen langsam aus. Linksorientierte jüngere Wähler haben Probleme, die Kommunisten als Alternative wahrzunehmen. Denn die haben sich, anders als in Osteuropa, nicht zu Sozialdemokraten, sondern zu Nationalpatrioten gewandelt. Die Schnittmengen der KP mit der Putin-Partei sind daher größer als die mit der demokratischen Opposition.

Das gilt auch für die beiden Wackelkandidaten, die momentan bei sieben bis neun Prozent liegen: die Partei von Wladimir Schirinowski, die sich liberaldemokratisch nennt, aber nationalkonservative Werte vertritt, und Gerechtes Russland. Vom Kreml 2006 als Pseudo-Opposition mit linkssozialem Touch geschaffen, um latenter Unzufriedenheit ein kontrolliertes Ablassventil zu verschaffen, attackieren die „gerechten Russen“ zwar die „Einheitsrussen“, unterstützen Putin und dessen Politik jedoch ohne Wenn und Aber. Weil ein charismatischer Führer fehlt, kam bisher auch die Sozialdemokratie in Russland nicht auf die Füße. Zwar versuchte Altpräsident Michail Gorbatschow die Marktlücke zu schließen. Doch wegen sozialer Grausamkeiten der Perestroika und Verlust des Imperiums taugt Deutschlands Lieblingsrusse in Russland nur als Antiheld.

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