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Ein Wähler sucht auf einer Liste vor einem Wahllokal nach seinem Namen. Foto: AFP

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Politik: Im Stil des Autokraten

Der langjährige Mubarak-Freund Schafik lässt sein Wahllokal bei der Stimmabgabe abriegeln.

„Ich bin froh, dass das Parlament aufgelöst ist.“ Wessam Galaly klimpert mit seinem Autoschlüssel, ungeduldig wartet seine vierjährige Tochter Malka, dass es zurück nach Hause geht. Gewählt hat er Ahmed Schafik, den früheren General und letzten Premierminister unter dem im vergangenen Jahr gestürzten Staatschef Hosni Mubarak. „Ich habe meine Bedenken, aber bei ihm weiß ich wenigstens ungefähr, woran ich bin“, sagt der Ingenieur, der unter der Woche in Hurghada für einen großen Konzern Ferienapartments baut. „Schafik hat eine Vision, er kann das Land zurück auf die Beine bringen.“ Bei Mohammed Mursi, dem Kandidaten der Muslimbrüder, ist in den Augen des Ingenieurs dagegen „völlig unklar“, welche Vorstellungen er für die Zukunft Ägyptens hat.

Nicht viele haben sich am Wochenende in der Gamal-Abdel-Nasser-Grundschule im Kairoer Stadtteil Dokki zur Wahl eingefunden – kein Vergleich zu den erwartungsfrohen Schlangen beim ersten Wahlgang vor knapp vier Wochen. Denn Ägypten ist nach dem Justizdrama der letzten Woche tief verunsichert. Die Entscheidung des Verfassungsgerichts, das erst vor sechs Monaten gewählte Parlament aufzulösen, hat alles auf den Kopf gestellt. Mit dem Paukenschlag sind am Nil die demokratischen Uhren faktisch wieder auf null gestellt. Schafik sei ohne Zweifel ein Mann, der dem alten Regime nahe steht, räumt Wessam Galaly ein. „Heute aber machen die Leute den Mund auf, sie lassen sich nichts mehr gefallen. Die Rückkehr zu einem Ägypten wie unter Mubarak, die wird es nie wieder geben.“

52 Millionen Ägypter waren aufgerufen, ihren ersten demokratischen Präsidenten zu bestimmen. Vor vier Wochen hatte die Wahlbeteiligung noch bei 43,4 Prozent gelegen, diesmal dürfte sie deutlich niedriger ausfallen, auch weil viele politische Gruppen zum Boykott aufgerufen haben. Die Generäle ließen inzwischen das Parlamentsgebäude versiegeln, kein Abgeordneter darf mehr sein Büro betreten. In den nächsten 48 Stunden wollen sie Verfassungszusätze erlassen, die ihnen bis zur Wahl einer neuen Volksvertretung Gesetzgebung und Kontrolle des Staatshaushaltes sichern. Der neue Präsident soll dagegen Regierung, Kabinett und das gesamte diplomatische Personal ernennen dürfen.

Der Exgeneral und langjährige Mubarak-Freund Schafik, der sich im Wahlkampf als Garant von Sicherheit und Ordnung und als Bollwerk gegen den Islamismus präsentierte, gab seine Stimme im Kairoer Stadtteil Heliopolis ab – ganz im Autokratenstil seines früheren Chefs. Das Wahllokal wurde für Schafik komplett abgeriegelt, bis er durch einen Seitenausgang wieder davongerauscht war.

Muslimbruder Mursi dagegen, der sich den Wählern als Schutzpatron der Revolution empfahl, wartete in seiner Heimatstadt Zagazig im Nildelta zwei Stunden lang bei brütender Hitze, bis er an der Reihe war. Bis zuletzt versuchte er, vor allem die Ängste der Frauen und der koptischen Minderheit vor einem Marsch in den islamistischen Staat zu zerstreuen. Seine Präsidentschaft werde auf dem Islam basieren, erklärte der promovierte Bauingenieur. Gleichzeitig aber wolle er alle Kräfte der Gesellschaft mit einbeziehen und die individuellen Freiheitsrechte der Menschen garantieren.

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