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Politik: Im Zweifel für den Sport Von Friedhard Teuffel

Athen hatte ein ehrgeiziges Ziel: den antiken Mythos Olympia zu verbinden mit dem Geist der neuzeitlichen Olympischen Spiele. Doch geschehen ist etwas anderes.

Athen hatte ein ehrgeiziges Ziel: den antiken Mythos Olympia zu verbinden mit dem Geist der neuzeitlichen Olympischen Spiele. Doch geschehen ist etwas anderes. So wie 1896, als in Athen die ersten Spiele der Neuzeit stattfanden, hat jetzt wieder eine neue olympische Zeitrechnung begonnen. Athen 2004 – das waren die ersten authentischen Spiele. Olympia ist in der Wirklichkeit angekommen.

Es wird nie mehr so sein wie 2000 in Sydney, als die Fröhlichkeit regierte, der 11. September noch unvorstellbar schien und es dem Internationalen Olympischen Komitee unter seinem Präsidenten Juan Antonio Samaranch noch gelungen war, Doping als Verfehlung Einzelner abzutun. Athen hat ein realistisches Bild des Sports wiedergegeben. Aus Angst vor Terroranschlägen sind die Zuschauer an den Stadiontoren so streng kontrolliert worden wie am Flughafen. Es gab viele leere Sitzreihen bei weniger populären Sportarten. Vor allem aber ist das scheinbar unsichtbare, hässliche Ungetüm Doping noch nie so deutlich vorgeführt worden wie in Athen – ein Verdienst des IOC und seines Präsidenten Jacques Rogge.

Auch 1988 in Seoul war drei Olympiasiegern wegen Dopings ihre Goldmedaille aberkannt worden, darunter dem Sprinter Ben Johnson. Doch während Johnson noch als der dumme einzelne Bösewicht dargestellt wurde, verbreitet sich nun eine neue Gewissheit: Der Betrug hat gewaltige Ausmaße. Verdächtig ist, wer seine Leistungssprünge nicht plausibel erklären kann und sich nicht auch während der Trainingsphase regelmäßig kontrollieren lässt. Der Sportler ist dabei nicht nur Täter, sondern auch verführtes Opfer. Zum ersten Mal während der Olympischen Spiele befasste sich die Weltöffentlichkeit mit einem verdächtigen Trainer, dem Griechen Christos Tsekos. Er soll den beiden griechischen Sprintern Konstantinos Kenteris und Ekaterini Thanou mit verbotenen Substanzen zu ihren Leistungen verholfen haben.

Doping heißt nicht nur, erwischt zu werden. Es ist schließlich kurios, dass die spektakulärsten Dopingfälle dieser Spiele diejenigen sind, bei denen kein Athlet überführt wurde. Der ungarische Olympiasieger im Diskuswerfen Robert Fazekas musste seine Medaille abgeben, weil er die Dopingprobe verweigerte. Thanou und Kenteris sind einfach vor den Kontrolleuren geflohen. Sie haben gehofft, mit ihrer Version durchzukommen, dass ein Motorradunfall sie aufgehalten habe. Doch sie haben nicht damit gerechnet, dass es inzwischen eine neue Macht im Sport gibt: den Zweifel. In Athen war daher auch ein neues Zuschauerverhalten gefragt: Jubeln mit Rücknahmegarantie. Gerade noch Olympiasieger, jetzt schon Betrüger.

Vor lauter zweifelhaften Leistungen der Griechen, Amerikaner, sogar Ungarn sind die Chinesen aus dem Blickfeld geraten, die mit ihrem Staatssport in den Neunzigerjahren durch plötzliche Erfolge in Sportarten auffielen, die für Doping besonders anfällig sind: Leichtathletik, Schwimmen, Gewichtheben. Diesmal waren sie auch in Disziplinen erfolgreich, in denen Doping weniger nützt, im Schießen und Fechten, selbst im Tennis. In vier Jahren bei den Spielen in Peking können die Chinesen der Welt zeigen, dass es eine ehemalige Dopingnation auf einmal ehrlich meint mit dem Sport.

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