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Grundkurs. Blick in die Regale der Bibliothek an der Uni Osnabrück.

© dpa

Imam-Ausbildung: Schavan hofft auf Modernisierung des islamischen Glaubens

CDU-Ministerin Annette Schavan will die „europäisch-muslimische Gelehrsamkeit“ fördern. Die staatliche Ausbildung islamischer Lehrer ist für sie in zweierlei Hinsicht wichtig für die Integration.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Noch vor zwei Monaten hätte das Thema wahrscheinlich nur eine akademische Minderheit interessiert: Drei Hochschulen im Westen Deutschlands bekommen vom Bund Geld dafür, Lehrer für den islamischen Religionsunterricht auszubilden. Nach Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“, dem umstrittenen Präsidentensatz „Der Islam gehört mittlerweile auch zu Deutschland“ und dem Wirbel um Äußerungen von CSU-Chef Horst Seehofer, die als „Zuwanderungsstopp“ für Muslime gedeutet worden waren, sieht die Sache jedoch ein bisschen anders aus. Plötzlich ist die Frage nach dem Platz, den Muslime und ihre Religion in Deutschland einnehmen sollen, zur heiß umstrittenen Kernfrage des nationalen Selbstverständnisses geworden.

Rund 2000 Religionslehrer und Imame braucht Deutschland perspektivisch. Davon geht der Wissenschaftsrat und davon geht auch Annette Schavan aus. Die CDU-Bildungsministerin hat am Donnerstag die ersten Millionen Euro an Universitäten verteilt, die in Zukunft zu Zentren der theologischen Islampädagogik und -forschung ausgebaut werden sollen. 2000 Pädagogen und Imame werden gebraucht? Allein diese Zahl zeigt, wie weit verbreitet der islamische Glauben in Deutschland ist. Ein Vergleich zum jüdischen Glauben: Es gibt nur eine Hochschule in Heidelberg, an der jüdische Religionslehrer ausgebildet werden, 100 im Schnitt pro Jahr und das auch erst seit 2001.

Für die CDU-Politikerin Annette Schavan ist die staatliche Ausbildung von islamischen Lehrern und Imamen in zweierlei Hinsicht ein „wichtiger Beitrag zur Integration“. Zum einen erhofft sich die Ministerin damit mehr Akzeptanz des muslimischen Glaubens in Deutschland. Schließlich beobachten viele Bürger mit Argwohn, wenn in ihrer Umgebung Islamgelehrte predigen und Kinder unterrichten, deren Sprache man nicht versteht und deren Herkunft keiner kennt. Das soll mit staatlich ausgebildeten Kräften anders werden. „Wir wollen islamischen Religionsunterricht an möglichst vielen Schulen in Deutschland“, sagt Schavan und sie erhebt die Imame sogar in den Stand von „Brückenbauern“ zwischen den islamischen Moscheegemeinden und deren meist nichtmuslimischer Umgebung.

Und zum anderen erhofft sich Schavan so etwas wie eine Modernisierung des islamischen Glaubens. Sie spricht von „europäisch muslimischer Gelehrsamkeit“ und stellt diese bewusst in einen Gegensatz zum „politischen Islam“, der allein wegen seiner Stellung zur Frau in der Gesellschaft im Widerspruch zum deutschen Grundgesetz steht und Tendenzen zum extremistischen Islamismus hat. Schavans europäisch geprägter Islam hingegen trägt Züge der „Aufklärung, Selbstreflexion und Selbstkritik“. Selbst weibliche Imame sieht die Ministerin über kurz oder lang in deutschen Moscheen vorbeten. Für derlei theologische „Aufbauleistung“, sagt Schavan, sei Deutschland wegen seiner christlichen Kultur- und Theologieerfahrung sogar „besonders geeignet“.

Sind Zweifel angebracht, ob das funktionieren kann? Glaubt man Thilo Sarrazin, dann ist die Europäisierung des Islam an sich ein Ding der Unmöglichkeit. Glaubt man der Frauenrechtlerin Alice Schwarzer, dann sind deutsche Universitäten ohnehin bereits unterwandert vom Islamismus, weshalb der nun auch noch – mit Steuermitteln finanziert – in Deutschland verbreitet statt europäisiert werden wird. Und betrachtet man die bisher gängige Praxis in den muslimischen Gemeinden und Glaubensgruppen in Deutschland, dann darf zumindest bezweifelt werden, dass weibliche Imame demnächst große Akzeptanz in den Moscheen erlangen werden.

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