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Im Blick: Dekoration für Krieg

Michael Schmidt fragt sich, ob das Ehrenkreuz für Tapferkeit sinnvoll ist. Warum nicht auch Zivilcourage in die Ehrung aufnehmen?

Von Michael Schmidt

Ehre. Tapferkeit. Ausgerechnet. Ging es nicht etwas frischer? Moderner? Musste es ein „Ehrenkreuz der Bundeswehr für Tapferkeit“ sein? Schon die Worte riechen muffig und schmecken nach üblen Erinnerungen an schlechte alte Zeiten. Sie lassen an Heldentum, Tod und Vaterland denken, für das zu sterben, wir wissen es seit Horaz, vermeintlich dulce et decorum ist, süß und ehrenhaft. Ja – die Rede von der Tapferkeit, ob gewollt oder nicht, dekoriert den Krieg. Dabei soll sie nach dem Willen derer, die sie im Munde führen, gerade nicht das Militärische heroisieren, sondern Rettungstaten unter Einsatz des eigenen Lebens auszeichnen.

Tapferkeit. Für Platon gehörte sie zu den vier Kardinaltugenden, neben der Weisheit, der Besonnenheit und der Gerechtigkeit. Sie war die Tugend derer, die den Staat gegen Feinde von innen und außen schützen sollten. Sokrates öffnete den Begriff für das Leben außerhalb des militärischen Kampfes: Tapfer könne man ebenso bei Krankheit, in Armut oder im politischen Leben sein. Und Aristoteles sprach vom bürgerlichen Mut, der noch wichtiger sei als der im Krieg.

Ein Gedanke, den Otto von Bismarck im 19. Jahrhundert aufgriff. Und indem der Reichskanzler einen neuen Begriff prägte, lieferte er den Kritikern des heutigen Verteidigungsministers das Stichwort: „Mut auf dem Schlachtfeld ist bei uns Gemeingut“, sagte Bismarck, „aber Sie werden nicht selten finden, dass es ganz achtbaren Leuten an Civilcourage fehlt.“

Zivilcourage ist es, was vielen bei Franz Josef Jungs Rückgriff auf traditionelle Muster zu kurz kommt. Der CDU-Politiker lässt ein Ehrenmal für Gefallene entwerfen, zelebriert öffentliche Gelöbnisse vor dem Reichstag und spricht von Gefallenen, will den Einsatz für den Frieden in Afghanistan aber keinesfalls einen Krieg nennen. Warum dann diese Medaille? Und diese Beschränkung aufs Militärische?

Es spricht ja nichts dagegen, den gefährlicher gewordenen Einsatz der Soldaten anzuerkennen. Doch müsste das dann erstens auch für die Brunnen- und Brückenbauer unter ihnen gelten. Zweitens könnte es auch – und vielleicht sogar besser – durch eine angemessene Bezahlung und eine bessere Ausrüstung geschehen. Und drittens hätte zugleich sehr viel dafür gesprochen, klarzumachen, dass nicht nur Soldaten Mut abverlangt wird, sondern auch Polizisten, Entwicklungshelfern und Sanitätern. Und das nicht nur im Ausland, sondern auch im zivilen Alltag daheim, wenn es darum geht, ein Kind aus einem brennenden Haus zu retten, Unfallopfer zu bergen oder einzugreifen, wenn rechte Schläger Wehrlose niederprügeln. Es lohnt hier ein Blick nach Frankreich: Die Grande Nation nimmt ihre Helden in die Ehrenlegion auf – egal, ob sie als Soldaten oder als Zivilisten handelten.

Wenn Zivilcourage zeigt, wer für seine Überzeugung mutig eintritt, dann sollten sich die Bundestagsabgeordneten einmal tapfer dem Souverän stellen. Sie haben die Bundeswehr entsandt – sie sollten sich mit den Fragen, Zweifeln, Vorbehalten des Wählers beschäftigen und diskutieren über Deutschlands Rolle in der Welt: zuschauen? Engagieren? Notfalls militärisch? Wann, wenn nicht im Wahlkampf, ist die Zeit, um ins Gespräch zu kommen?

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