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Politik: „Improvisation heißt harte Arbeit“

Christina Pluhar, die heute bei den Musikfestspielen auftritt, über die Kunst des freien Spiels

Der Musikerin Christina Pluhar eilt ein seltsamer Ruf voraus. So ist in Rezensionen zu lesen, dass sie „die harte Tour“ verkörpere, eine „Jam-Session-Domina der Alten Musik“ sei und auf ihrem aktuellen Album „Via Crucis“ mit ihrem Ensemble L’ Arpeggiata die Musik des Frühbarock über den Kreuzweg peitsche. Wer aber die Lautenistin Christina Pluhar, derzeit eine der wohl einfalls- und erfolgreichsten Interpretinnen der Alte Musik, in ihre sanften, ruhigen und wohl überlegten Art erlebt, kann sich über solche Zuschreibungen nur wundern.

Frau Pluhar, wie sind Sie bloß zu diesem fragwürdigen Image gekommen?

Das ist der Erfindung eines Journalisten geschuldet, die nun fröhlich durchs Internet kursiert und für die ich nicht verantwortlich bin.

Das ist dann schon sehr verwunderlich.

Allerdings.

Liegt das vielleicht auch an Ihrer so erfrischenden und schwungvollen Art zu musizieren, dass bei den Kritikern, die Ihre Alben hören, vor Begeisterung die Pferde durchgehen und dann derart seltsame Vergleiche ziehen?

Ich versuche, das Beste zu machen und was die Leute dann darüber schreiben, ist wieder eine andere Geschichte.

Zumindest können Sie auch darüber lachen, denn Sie haben großen Erfolg mit Ihrer Art, Alte Musik zu interpretieren. Spätestens mit Ihrem vorletzten Album „Teatro d’Amore“ ist Ihnen der große Durchbruch gelungen. Hat Sie dieser Zuspruch überrascht?

Das fing ja nicht erst mit „Teatro d’Amore“ an. Schon 2002 haben wir mit „La Tarantella“ ein Album veröffentlicht, das ein sehr breites Publikum angesprochen hat.

Aber „Teatro d’Amore“ war das erste Album von Ihnen mit L’ Arpeggiata, das mit Virgin Classics bei einem sogenannten Major-Label erschienen ist.

Wir haben durch „Teatro d’Amore“ sehr starke und sehr schöne Reaktionen vor allem auch in Deutschland gehabt. Das hat natürlich auch mit der Werbung seitens Virgin Classics zu tun. Das lässt sich kaum bestreiten.

Gegründet haben Sie Ihre Ensembles L’ Arpeggiata vor zehn Jahren. Was gab dafür den Ausschlag?

Ich hatte vorher in vielen anderen Ensembles gespielt. Mit der Zeit wurde aber einfach dieser Wunsch in mir größer, meine Kreativität für eigene Projekte einzusetzen, die mir Spaß machen und zu deren Umsetzung ich dann Musiker einlade, die ich sehr schätze.

Kreativität in dem Sinne, es anders zu machen als Sie es bis dahin in den Ensembles erlebt hatten?

Ja, das ist natürlich immer eine Hauptmotivation, neue Wege zu gehen. Nicht mehr allein nur Musiker in einem Ensemble zu sein, sondern selbst Notenmaterial zu recherchieren, Ideen zu haben und sie dann nach den eigenen Vorstellungen umzusetzen.

Von Anfang an war die Improvisation ein sehr wichtiges Element in Ihren Interpretationen Alter Musik. Auf Ihren jüngsten Alben ist aber immer auch die Nähe zum Jazz zu hören. Diese Tendenz zum sogenannten Crossover, war die auch eine Ihrer Gründungsideen für L’ Arpeggiata?

Die Improvisation ist natürlich ein sehr starker Bestandteil der Musik überhaupt und wir haben unsere Arbeit in den letzten zehn Jahren sehr darauf konzentriert, diese Improvisationen in unsere Musik mit einzubauen. Und ich glaube, dass man diesen deutlichen Schwerpunkt auch heraushört. Das alles muss aber mit einer gewissen Leichtigkeit geschehen, und das ist etwas, das sich nicht von heute auf morgen einstellt. Dafür braucht es jahrelange Arbeit und entsprechende Konzerterfahrungen.

Wobei sich aber immer noch hartnäckig das Gerücht hält, dass klassisch ausgebildete Musiker weniger zum Improvisieren neigen, sondern vor allem nur vom Blatt spielen können.

Ich denke, das ist auch so ein falsches Image vom klassischen Musiker. Weil die Improvisation in der Klassik erst im letzten Jahrhundert verschwunden ist. Noch bei den großen Virtuosen und auch Komponisten des 19. Jahrhunderts gehörte die Kunst des Improvisierens zum Handwerk, war dies Bestandteil der Ausbildung.

Also heißt die Rückbesinnung auf die Alte Musik, also auf die Musik des Mittelalters, der Renaissance und des Barock, auch eine Rückbesinnung auf die Improvisation?

Ja, und darum liegt der Schwerpunkt von L’ Arpeggiata auch auf dieser Kunst.

Mussten Sie dann bei manchen Musikern, wo die Improvisation nicht mehr auf dem Lehrplan stand, Nachhilfeunterricht leisten?

Nein, das musste ich nie tun. Ich gebe den Musikern einfach nur den Freiraum dafür. Denn in unserer Ausbildung in der Alten Musik gehörte die Improvisation einfach dazu. Wir haben das also gelernt, doch nicht immer die Möglichkeit, wie beispielsweise bei Orchesterprojekten, diese Fähigkeit auch zu nutzen. Und das ist es, was L’ Arpeggiata von anderen Ensembles unterscheidet.

Und auch diese gewisse Leichtigkeit in der Musik, von der Sie schon sprachen. Eine Leichtigkeit, die wie selbstverständlich klingt. Was ist das Geheimnis dieser besonderen Leichtigkeit?

Natürlich viel Arbeit und ein langer Weg. Denn Improvisation darf man sich nicht als eine Inspiration vorstellen, die einfach mal so vom Himmel fällt. Das ist eine musikalische Sprache, die man erlernen muss. Wie bei einer Fremdsprache sind da zuerst einmal die Vokabeln und die Grammatik. Wenn man die beherrscht, hat man erst die Grundlage, um sich irgendwann vielleicht einmal mit der entsprechenden Leichtigkeit auszudrücken. Im 17. Jahrhundert wurde das mit dem schönen Wort „Sprezzatura“ auf den Punkt gebracht. Da ist die Rede von einer Leichtigkeit, die zwar leicht erscheint, die aber auf sehr konsequenter und harter Disziplin beruht.

Bei all Ihrer Faszination für die Improvisation, haben Sie da nicht vielleicht auch mal überlegt, sich für den Jazz zu entscheiden?

Das stand tatsächlich mal zur Debatte. Ich habe ja mit der Konzertgitarre angefangen und mich entsprechend auch mit dem Jazz beschäftigt Die Alte Musik hatte mich aber schon immer angesprochen. Schon in meiner Jugend, wo ich selbst noch nicht diese Musik gespielt habe. Und als ich dann am Scheideweg stand, entweder Jazz oder Alte Musik, fiel mir die Wahl nicht so schwer. Denn in der Alten Musik habe ich mich immer zu Hause gefühlt.

Das Gespräch führte Dirk Becker

Christina Pluhar und das L’ Arpeggiata sind am heutigen Samstag, ab 22 Uhr, mit „OpenAir im Schlosspark“ auf den Terrassen der Orangerie Sanssouci zu erleben. Das Konzert ist ausverkauft. Die Alben „Teatro d’ Amore“ und „Via Crucis“ sind bei Virgin Classics erschienen

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