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Politik: In alter Feindschaft

Gesundheitsministerium fordert Kassenchef zum Rücktritt auf

Im Gesundheitsministerium liegen die Nerven blank. Das vermutet zumindest der Vorstandschef der Techniker Krankenkasse (TK), Norbert Klusen, nachdem ihm eine Ministeriumssprecherin den Rücktritt nahe gelegt hatte. „In Wirtschaftsunternehmen müssen Chefs, die schlecht gearbeitet haben, ihren Hut nehmen. Und vielleicht sollte auch Herr Klusen daran einmal denken“, sagte Dagmar Reitenbach. Auf Nachfrage räumte die Sprecherin ein, ihre Äußerung sei nicht mit Ministerin Ulla Schmidt abgestimmt gewesen. Eine Pressestelle fordert einen Kassenchef zum Rücktritt auf? Ein ungewöhnlicher Vorgang. Wie es dazu kam: In einem Zeitungsinterview hat Klusen steigende Krankenkassenbeiträge für dieses Jahr vorhergesagt. Nicht speziell für die TK, sondern für die gesamte gesetzliche Krankenversicherung. „Wir gehen von stabilen Beiträgen aus“, widerspricht Reitenbach, räumt aber ein, dass es „gewisse Risiken“ gebe. Dem Kassenchef rät sie, bei Finanzproblemen doch erst einmal „vor der eigenen Tür zu kehren“.

Nach Klusens Berechnungen fehlen rund neun Milliarden Euro im System – ein knapper Beitragspunkt. Seine Schätzungen ergeben, dass bereits Schulden in Höhe von drei Milliarden Euro aufgelaufen seien, weitere drei Milliarden fehlten, weil die Krankenkassen die vorgeschriebene Mindestreserve von 25 Prozent einer Monatsausgabe nicht einhielten. Für das Gesamtjahr rechnet er – wie im Vorjahr – außerdem mit einem Defizit von rund drei Milliarden Euro. Dann müssten die Beiträge von im Schnitt 14,3 Prozent auf etwa 15,3 Prozent steigen. Sprecher der Deutschen Angestellten-Krankenkasse und der Barmer Ersatzkasse, die ihre Beiträge zu Jahresbeginn erhöht hatten, schlossen jedoch eine weitere Anhebung in diesem Jahr aus.

Schon seit längerem wird gemunkelt, dass die Kassen Kredite anhäufen, um die Beiträge nicht anheben zu müssen. Denn sonst könnten ihnen ja die Versicherten zur Konkurrenz weglaufen. Gesetzliche Kassen dürfen aber keine langfristigen Schulden bei der Bank aufnehmen. Es bestehe ein „großer Nachfinanzierungsbedarf“, sagte der SPD-Gesundheitsexperte Eike Hovermann dem Tagesspiegel.

Zur weiteren Vorgeschichte: Klusen zählt nicht zu Ulla Schmidts besten Freunden. Mit seiner Meinung hält er nicht hinter dem Berg. Schon im August hatte er der gesetzlichen Krankenversicherung ein Defizit in Höhe von 1,5 Milliarden Euro vorhergesagt – was das Ministerium streng zurückwies. Zum Jahresende war dann sogar ein Minus von drei Milliarden Euro aufgelaufen. Zum Jahreswechsel machte die TK außerdem mit einem Bonusmodell Schlagzeilen. Wer selten zum Arzt geht, sollte einen Teil der Beiträge zurückerhalten. Unsolidarisch fand das die Ministerin, und stutzte den Modellversuch zurecht.

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