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Politik: In alter Frische

Die Globalisierungskritiker haben die Kriegsgegner gerufen. Reden werden die Kämpfer der achtziger Jahre

Von Dagmar Dehmer

Gegen den Krieg sind in Deutschland fast alle. Deshalb werden zur zentralen Demonstration in Berlin bis zu 100 000 Teilnehmer erwartet. Eine neue Friedensbewegung? Aussehen tut sie jedenfalls wie die alte. Ende des vergangenen Jahres wollte sich die Bewegung neu gründen. Heraus kam eine „Kooperation für den Frieden“, gebildet von der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden, dem Bund für Soziale Verteidigung, den Internationalen Ärzten für die Verhütung des Atomkriegs, dem Netzwerk Friedenskooperative oder auch Pax Christi – den Akteuren der achtziger Jahre. Also eher eine Wiederauferstehung der Friedensbewegung.

Zum Aktionstag an diesem Samstag hat allerdings das Europäische Sozialforum aufgerufen, das sich im vergangenen November in Florenz gebildet hat, der europäische Ableger der Globalisierungskritiker. Die Hauptrolle spielen die Leute von Attac in Berlin trotzdem nicht. Das Netzwerk ist lediglich mit einer Rednerin, der Palästinenserin Sumaya Farhat-Naser, vertreten. Wenn die Friedensdemonstranten an der Berliner Siegessäule angekommen sind, werden ihnen Frank Bsirske, der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, der Theologe Friedrich Schorlemmer und eben die weitgehend unbekannte Farhat-Naser ihre Sicht der Welt vortragen. Eigentlich hatte Attac die indische Schriftstellerin Arundathi Roy aufbieten wollen. Die hatte aber offenbar andere Verpflichtungen. Und die Liste der Künstler, die in Berlin auftreten, liest sich wie das Wer-ist-Wer der achtziger Jahre: Reinhard Mey, Konstantin Wecker, die Puhdys und Hannes Wader.

Erste Risse

Die Einigkeit dieser neuen Friedensbewegung beschränkt sich weitgehend auf die Ablehnung eines Irak-Krieges. Schon beim Aufruf zeigten sich erste Risse. Die „Aktion Sühnezeichen“ ist nicht die einzige, die deshalb einen eigenen Aufruf formuliert hat. Ihr Sprecher Johannes Zerger meint, vieles im zentralen Aufruf „greift etwas kurz“. Heike Hänsel findet es schon auffällig, dass auch diese neue Friedensbewegung „von den alten Funktionären dominiert wird“. Hänsel gehört zur Tübinger Organisation „Kultur des Friedens“, der Gruppe, die vor wenigen Wochen Konstantin Wecker nach Bagdad gebracht hat. Sie ärgert sich schon länger über die Erstarrung der Bewegung, die rund 20 Jahre in ihren Büros überdauert habe.

Hänsel ist nicht die einzige, die kritisiert, es habe wenig Interesse gegeben, bei der Demonstration andere Stimmen zu hören als die der Gewerkschaften und Kirchen, etwa kurdische oder irakische Friedensaktivisten. Aber diejenigen, die sich daran gestört haben, gehören eben nicht zum Organisationskomitee. Dort treffen sich nun genau dieselben Leute wieder, die vor 20 Jahren die Massenproteste gegen den Nato-Doppelbeschluss organisiert haben. Nur dass sie diesmal versucht haben, SPD und Grüne rauszuhalten, weil sie regieren. Trotzdem wollen Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), Umweltminister Jürgen Trittin und Verbraucherministerin Renate Künast (beide Grüne) entgegen der Bitte des Kanzlers am Samstag mitmarschieren.

Junge Leute verirren sich eher selten in die Friedenskreise. Die landen eher bei Attac. Die Globalisierungskritiker wiederum sind mit dem Friedensthema auch nicht richtig glücklich. Ihr Schwerpunkt ist der Kampf gegen die wirtschaftliche Globalisierung, gegen den „permanenten Kriegszustand auf unserem Planeten“, wie das europäische Sozialforum in seinem Demo-Aufruf geschrieben hatte. Doch solche Meinungsverschiedenheiten werden hintangestellt, vorläufig. Nicht einmal, dass auch Rechtsradikale zur Anti- Kriegs-Demonstration aufgerufen haben, hat richtige Aufregung ausgelöst.

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