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Politik: In Berlin bestimmt das Außenamt

Berlin - Selten hat ein Plan von Gerhard Schröder seinen Stellvertreter Joschka Fischer mehr zur Weißglut gebracht. Es war in der vorigen Legislaturperiode, als dem Kanzler auffiel, wie schlecht aufgestellt seine Regierung im Brüsseler Machtspiel war: Erst wenn die oft gegeneinander agierenden deutschen Fachministerien in Brüssel ihre eigene Position festgeklopft hatten, wurde das Kanzleramt eingeschaltet, so dass bis zu einer verlässlichen deutschen Entscheidung viel zu viel Zeit verging.

Von Hans Monath

Berlin - Selten hat ein Plan von Gerhard Schröder seinen Stellvertreter Joschka Fischer mehr zur Weißglut gebracht. Es war in der vorigen Legislaturperiode, als dem Kanzler auffiel, wie schlecht aufgestellt seine Regierung im Brüsseler Machtspiel war: Erst wenn die oft gegeneinander agierenden deutschen Fachministerien in Brüssel ihre eigene Position festgeklopft hatten, wurde das Kanzleramt eingeschaltet, so dass bis zu einer verlässlichen deutschen Entscheidung viel zu viel Zeit verging. Anstöße wie die zu einer verstärkten EU-Industriepolitik hatten es so im Alltagsgeschäft schwer. Kurz: Es knirschte und knackte im Gebälk der deutschen EU-Politik. Also müsse die Europazuständigkeit des Kanzleramts gestärkt werden, entschied Schröder. Mit dem ausgeprägten Machtwillen des Außenministers freilich waren solche Pläne unvereinbar. „Wir lassen uns nicht enteiern“, beschrieb damals ein enger Mitarbeiter Fischers die Gemütslage seines tobenden Chefs. Ergebnis: Das Kanzleramt wurde gegenüber dem Außenministerium nicht aufgewertet und bekam keinen Europaminister.

Doch unterhalb der sakrosankten Ministerebene wurden 2002 die Zuständigkeiten durchaus neu geordnet. Der Europa-Spezialist des Kanzlers, Reinhard Silberberg, wurde mit seinen Mitarbeitern zu einer eigenen Abteilung im Kanzleramt aufgewertet. Der ehemalige Staatsminister im Kanzleramt, Hans-Martin Bury (SPD), wechselte ins Auswärtige Amt, von wo aus er seitdem die europapolitische Runde der Staatssekretäre leitet.

Seitdem sind Klagen aus dem Kanzleramt seltener geworden. „Das europäische Koordinierungsgeschäft läuft gut“, heißt es nun in Regierungskreisen. Auch hinsichtlich der politischen Durchschlagskraft in Brüssel glaubt man sich inzwischen in Berlin dem französischen Präsidial- oder dem britischen Kabinettssystem mit ihren direkten Durchgriffsmöglichkeiten ebenbürtig.

Mehr als das ist wohl nicht zu haben. Weil Deutschland von Koalitionen regiert wird, ist eine alleinige Europazuständigkeit des Kanzlers praktisch ausgeschlossen. Auch die Union weiß, dass sich etwa ein liberaler Partner im Außenministerium das kaum gefallen ließe. Ein eigenständiges Europaministerium außerhalb des Kanzleramts wäre auch keine Lösung. Weder hätte der Ressortchef in einer Vielzahl von Fachfragen die inhaltliche Expertise, noch hätte er die Macht, einen Streit von Fachressorts zu entscheiden.

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