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Neuer CDU-Chef: Armin Laschet.

© imago images / photothek

Update

Wahl zum CDU-Vorsitzenden: Warum Laschet am Ende das Rennen machte

Für sein Krisenmanagement wurde Laschet kritisiert, seine Umfragewerte in der CDU waren dürftig. Doch am Ende hat er doch deutlich gewonnen.

Es ist wohl der stärkste Moment seiner Rede, als Armin Laschet noch einmal neben das Rednerpult tritt. Er hat zuvor viel über Zusammenhalt und Vertrauen geredet. Er hat von seinem Vater erzählt, der als Bergmann viele Jahre unter Tage gearbeitet hat. Dort habe man sich vertrauen müssen, egal wo man herkam. Wenn alle wieder wohlbehalten über Tage angekommen waren, dann hätten die Bergmänner ihre Erkennungsmarke oben an den Nagel gehängt. Diese trage sein Vater heute noch am Schlüsselbund, als Erinnerung an das Vertrauen, das er unter Tage gelernt habe.

Und jetzt, als Laschet neben das Pult tritt, hält er diese kleine goldene Marke in die Kamera. Die Nummer 813 steht darauf. Sein Vater habe sie ihm als Glücksbringer mitgegeben. Er habe gesagt: „Sag den Leuten, sie können dir vertrauen.“

Es ist ein Moment der Inszenierung. Aber vielleicht hat er am Ende unentschiedene Parteifreunde überzeugt. 1001 Delegierten haben an diesem Samstag abgestimmt und den NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet zum neuen Vorsitzenden der CDU gewählt. 521 Stimmen hat er in der Stichwahl gegen Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz bekommen. Für Merz hatten 466 Delegierte votiert.

Damit folgt Armin Laschet nicht nur auf Annegret Kramp-Karrenbauer an der Spitze der CDU. Er hat auch gute Chancen, Kanzlerkandidat der Union zu werden, womöglich nächster Kanzler. Und das, obwohl im Laufe des vergangenen Jahres viele Laschet schon abgeschrieben hatten.

Ambitionen hatte der 59-Jährige schon lange. 2018 hatte er sich bereits mit dem Gedanken getragen, für den Parteivorsitz zu kandidieren. Damals ging er den Schritt nicht – aus Sorge, zwischen Düsseldorf und Berlin zerrieben zu werden. 2020, nach dem Scheitern von Annegret Kramp-Karrenbauer, war dafür schnell klar, dass er seinen Hut in den Ring werfen wird.

Zum Auftakt: ein Coup

Den Auftakt zu seiner Kampagne macht Laschet im Februar in der Bundespressekonferenz – und landet einen kleinen Coup. Denn eigentlich will an diesem Vormittag Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz vor den Journalisten seine Kandidatur präsentieren. Doch Laschet stiehlt ihm gleich doppelt die Show: Nicht nur, dass Laschet seinen Termin kurzfristig vor den von Merz geschoben hat. Er bringt auch Gesundheitsminister Jens Spahn mit.

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Die beiden wollen im Team antreten: Laschet als CDU-Chef und Spahn als sein Stellvertreter. Ihre Botschaft: „Die CDU ist größer als jeder einzelne von uns.“ Merz kommentiert später säuerlich: „Im richtigen Leben würde man von einer Kartellbildung zur Schwächung des Wettbewerbs sprechen.“ Er weiß: Es ist ein kluger Schachzug von Laschet, sich gemeinsam mit Spahn als Teamplayer zu präsentieren.

Viele Menschen wünschen sich Entschlossenheit

Doch wirklich profitieren wird Laschet von der Partnerschaft mit Spahn in den Monaten darauf nicht. Der Gesundheitsminister wirbt eher halbherzig für seinen Parteifreund Laschet, wenn überhaupt. Während Spahn in der Pandemie immer beliebter wird, häuft sich die Kritik an Laschet.

Ein Tiefpunkt ist schon im April erreicht. Da sitzt Armin Laschet in der Talkshow von Anne Will. Es geht um die Lockerung der Corona-Maßnahmen. „Fürchten Sie, Herr Laschet, gar keine zweite Infektionswelle?“, fragt die Journalistin den NRW-Ministerpräsidenten. „Wir handeln alle unter Unsicherheitsbedingungen“, sagt der. „Keiner weiß, ob das stimmt, ob das stimmt“ – Laschet gestikuliert – „oder ob meine Aussagen stimmt.“

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Die erste Infektionswelle sei dramatisch beschrieben worden. Aber der Höhepunkt sei nicht gekommen. Dauernd würden die Bedingungen verändert: Mal werde auf Krankenhausbetten geschaut, mal auf die Verdopplungszeit, mal auf den R-Wert. Laschet fährt mit den Armen durch die Luft. Und dann wirft er Virologen vor, sie würden alle paar Tage die Meinung ändern.  

Zu diesem Zeitpunkt gilt Laschet als der wahrscheinlichste Kanzlerkandidat der Union. Doch das Echo auf die Sendung ist verheerend: Unsouverän sei er gewesen, heißt es. Eines Kanzlerkandidaten „unwürdig“ schreibt der Kölner Stadtanzeiger. Laschets Auftritt bei Anne Will brennt sich bei vielen ins Gedächtnis ein.

Es ist gar nicht so, dass Laschets Krisenmanagement im Vergleich wirklich schlecht war. Doch an ihm klebte das Etikett des Lockerers – selbst dann noch, als das eigentlich gar nicht mehr stimmte. Er wirkt oft unentschieden. Dabei wünschen sich viele Menschen in der Krise einen, der sagt, wo es lang geht. So jedenfalls erklären Psychologen die Beliebtheit von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder.

„Es geht weniger darum, was er entscheidet, sondern darum, dass er es tut und klar kommuniziert“, sagte kürzlich ein Berliner Psychotherapeut im Tagesspiegel. „Jede Eindeutigkeit bringt für die Menschen Entlastung.“ Wenn Laschet öffentlich seine Zweifel und Unsicherheit kundtut, mag das zwar ehrlich sein – es bewirkt aber eher das Gegenteil.

„Der ist zu lieb.“

Es ist ein Bild, das so mancher Parteifreund schon länger von Laschet hat: das eines Zauderers. Laschet gilt als nett, bei Auftritten wirkt er gemütlich, lächelt milde. Auch seinem Tandempartner Spahn fehlt da offenbar der Biss. „Wahlkampf heißt auch deswegen Wahlkampf, weil die Leute sehen wollen, dass man kämpft“, sagte er. Hinter den Kulissen wird sogar über die Option eines Rollentauschs zwischen Spahn und Laschet diskutiert.

Friedrich Merz gratuliert per Faustschlag.
Friedrich Merz gratuliert per Faustschlag.

© AFP/Odd Andersen

Der Journalist Markus Feldenkirchen konfrontiert Laschet im November in einer WDR-Sendung mit einer Dokumentation über ihn. Laschet darf an Stellen, mit denen er nicht einverstanden ist, einen schwarzen Buzzer drücken. Im Film ist eine Frau zu sehen, die Laschets Arbeit als Ministerpräsident gut findet. Auf die auf die Frage, ob Laschet auch Kanzler könne, sagt sie aber: „Glaub ich nicht, der ist zu lieb.“ Laschet buzzert nicht.

Später dann, darauf angesprochen, sagt Laschet: „Wer so ein großes Land wie Nordrhein-Westfalen mit all den Brüchen, den Unterschiedlichkeiten, auch Konflikten regiert – das kann man nicht lieb.“ In dem Gespräch erinnert Laschet auch an Helmut Kohl. Den habe man anfangs ebenfalls unterschätzt, sich lustig gemacht. „Er war nachher ein sehr großer Kanzler“, sagt Laschet.

Laschet verweist auch gern darauf, dass vor der letzten Landtagswahl in NRW nur wenige daran geglaubt haben, dass er die SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft schlagen könnte. Doch am Ende hatte er es geschafft. Die Botschaft ist klar: Unterschätzt mich nicht.

Am Ende die Vernunftlösung

Keiner der drei Kandidaten löste in den vergangenen Wochen Begeisterungsstürme in der CDU aus, auch Laschet nicht. Bei seinen Online-Treffen, so berichten es Parteikollegen, tauchten zum Teil unangenehm wenig Leute auf. Laschet präsentierte sich in den offiziellen CDU-Kandidatenrunden als einer, der die verschiedenen Strömungen der Partei integrieren könnte, gab den Versöhner. Während Merz für einen Bruch mit der Ära Merkel stand, ist Laschet der Mann für deren Fortsetzung. Er sieht die CDU als eine „Partei der Mitte“.

Das mag zwar alles nicht besonders spannend klingen, aber vielleicht war Laschet für die CDU am Ende die Vernunftlösung, der Konsenskandidat. Merz kann impulsiv sein, das hat er in der Vergangenheit unter Beweis gestellt – etwa als er hinter der Verschiebung des Parteitages eine Verschwörung des Parteiestablishments gegen sich vermutete. Röttgen mag zwar glaubwürdig den Aufbruch verkörpern, aber für viele CDUler ist dessen krachende Niederlage 2012 in NRW einfach noch zu präsent.

Auch dürfte für so manchen Delegierten die Frage gelautet haben: Welcher Kandidat sichert mir am ehesten mein Mandat? Gerade für Laschets Landesverband NRW, der die auf dem Parteitag die meisten Delegierten stellt, wäre es gefährlich, den Landesvater zu beschädigen. Dort wird 2022 der neue Landtag gewählt.

Die Röttgen-Anhänger gaben den Ausschlag

Hatte er zwischenzeitlich in innerparteilichen Umfragen sogar hinter Norbert Röttgen gelegen, holte Laschet kurz vor dem Parteitag stark auf. Im ARD-Deutschlandtrend lagen die drei Kandidaten bei CDU-Anhängern zuletzt fast gleichauf. Auch hatten sich den vergangenen Tagen viele Unterstützer Laschets hervorgewagt. So erklärte Bildungsministerin Anja Karliczek, sie halte Laschet für am besten geeignet, um die Strömungen in der CDU zusammenzuführen – und warnte indirekt vor Merz. CDU-Vize Volker Bouffier, Niedersachsens Landeschef Bernd Althusmann und Kanzleramtschef Helge Braun sprachen sich ebenfalls für Laschet aus – genauso wie mehrere CDU-Fraktionsvorsitzende aus den Ländern.

Am Ende dürfte es eine Reihe an Faktoren gewesen sein, die zu Laschets Sieg geführt haben. Eines ist klar: Er hat ihn auch dem Teil von Norbert Röttgens Anhängern zu verdanken, die sich in der Stichwahl entschieden, ihm und nicht Merz ihre Stimme zu geben.

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