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Politik: In die Ferien nach Pisa

Von Susanne Vieth-Entus Deutschlands Abschied in die großen Schulferien wohnt in diesem Jahr ein zweifelhafter Reiz inne: Im Reisegepäck fährt die Gewissheit mit, dass das Land bildungspolitisch nicht mehr weiter sinken kann. Mit anderen Worten – es kann nur noch besser werden.

Von Susanne Vieth-Entus

Deutschlands Abschied in die großen Schulferien wohnt in diesem Jahr ein zweifelhafter Reiz inne: Im Reisegepäck fährt die Gewissheit mit, dass das Land bildungspolitisch nicht mehr weiter sinken kann. Mit anderen Worten – es kann nur noch besser werden. Und wir wissen auch schon wie: Stundenpläne werden aufgestockt, zentrale Prüfungen veranlasst, Vergleichsarbeiten angeordnet und die Lehrerbildung reformiert.

Fast möchte man ein euphorisches Pisa-Loblied singen, weil es ohne die OECD-Studie nicht zu der jetzigen Aufbruchstimmung gekommen wäre. Und fast möchte man glauben, dass nun alles gut wird und wir beim nächsten Pisa-Vergleich aufsteigen in finnische Höhen und zu koreanischer Klasse.

Dazu wird es allerdings so schnell nicht kommen. Denn all die Reformen ändern wenig ohne einen gleichzeitigen Mentalitätswechsel hin zu mehr Leistungsbereitschaft und weniger Dogmatik. Dieser Wechsel aber dürfte schwer werden, denn er bricht mit jahrzehntelang gewachsenen Vorstellungen von dem, was Schule sein soll.

Werfen wir einen Blick zurück in die Zeiten, als deutsche Schüler noch wettbewerbsfähig waren. Zum Beispiel in die siebziger Jahre der Bonner Republik. Das Land war reich, das Land war satt, und ein paar Bildungsreformer kamen auf die Idee, dass es die Schüler eines satten, reichen Staates eigentlich nicht nötig haben, sich übermäßig anzustrengen. Also schaffte die Kultusbürokratie der „fortschrittlichsten“ Bundesländer alles Mögliche ab, was Stress verursachen könnte: Strafarbeiten, Noten, Aufnahmeprüfungen – kurz, den Leistungsdruck. In diesen Zeiten wuchs die Gewissheit heran, dass gute Leistungen „uncool“ sind und keinen Spaß machen.

Das allein wäre nicht weiter schlimm gewesen, wenn das reiche, satte Land nicht nach und nach ärmer geworden wäre. Und so wuchs die Zahl der Schulen, in denen undisziplinierte Jugendliche in überfüllten, renovierungsbedürftigen Klassen vor überalterten Lehrern saßen. Immerhin trafen antiautoritäre Tendenzen und Verarmung der öffentlichen Kassen nicht überall so unglücklich zusammen wie – etwa in Berlin. Doch selbst hier lässt sich gegensteuern.

Wie kann der Mentalitätswechsel hin zu einem neuen Bild von Schule und Leistung geschehen? Zunächst einmal brauchen die Schulen Planungssicherheit: Wer stündlich damit zu rechnen hat, dass man ihm Lehrer und Geld wegnimmt, entwickelt die Tendenz, ausbleibenden Erfolg auf „die da oben“ zu schieben. Mit dem neuen Schulgesetz und der erweiterten Eigenverantwortung der Schulen ist Berlin auf dem richtigen Weg.

Dann sollte mit dem Irrtum aufgeräumt werden, dass Kinder Schaden nehmen, wenn ihnen Leistung abverlangt wird. Sie wollen gefordert werden – und zwar schon im Kindergarten. Eltern und Lehrer brauchen nicht immer den einfachen Weg zu gehen und Anforderungen senken, sobald sie nicht erfüllt werden.

Auch bei den Gewerkschaften ist es höchste Zeit zum Umdenken. Gerade in Berlin hat die quasi allein regierende GEW eine unrühmliche Rolle gespielt, als sie jahrelang Leistungsmessungen verhinderte, damit die Folgen der Kuschelpädagogik nicht auffielen. Jetzt könnten die Gewerkschafter– Pisa sei Dank – endlich zur Kenntnis nehmen, dass die Lehrer in erfolgreichen Schulsystemen auch nachmittags für ihre Schüler da sind und ständig Fortbildungen besuchen.

Unterm Strich kommt es nicht so sehr auf die Schulform an, sondern auf die Einstellung. Die großen Ferien bieten eine gute Gelegenheit, daran ein paar Gedanken zu verschwenden.

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