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Politik: In die Verlängerung

Die Reform des UN-Sicherheitsrates bleibt auf der Agenda – die Suche nach einer deutschen Strategie auch

Die Hoffnung steckt in Paragraf 153. „Wir unterstützen die Reform des Sicherheitsrates als ein zentrales Element in unserem gesamten Streben, die Vereinten Nationen zu reformieren“, heißt es in dem Entwurf der Abschlusserklärung für den UN-Geburtstagsgipfel, auf den sich die 191 Mitgliedstaaten mit Mühe und Not geeinigt hatten. Und der zweite Satz ist beinahe noch wichtiger, verpflichtet er doch die Generalversammlung, bis Ende des Jahres über den Fortschritt zu debattieren. Mit Genugtuung registrierten die deutschen UN-Diplomaten, dass der Passus nach dem vielen Hin und Her um die Abschlusserklärung nun doch nicht rausgeflogen ist: Eine Basis für einen neuen Vorstoß für einen festen Sitz der Bundesregierung im Weltsicherheitsrat – wenn es die neue, wie immer sie auch aussehen mag, überhaupt noch will.

Dass der ursprüngliche Vorstoß nach so viel Euphorie im Frühjahr schließlich im Sommer spektakulär gescheitert war, führt der deutsche UN-Botschafter Gunter Pleuger nicht zuletzt auf taktische Missgeschicke zurück. „Es war ein entscheidender Fehler, nicht schon im Mai oder Juni abstimmen zu lassen“, sagt er. Damals hatte sich der von den Reformgegnern Italien, Pakistan und anderen gegründete Coffee-Club praktisch schon wieder aufgelöst. Der Disput zwischen China, das einen ständigen Sitz mit Vetorecht besitzt, und Japan, das einen der neuen Sessel will, war weit von seiner späteren Schärfe entfernt. Und die afrikanischen Staaten hatten noch nicht genug Zeit, sich über ihre Position gnadenlos zu zerstreiten. „Wir schwammen auf einer Welle der Zustimmung“, sinniert Pleuger.

Nach seiner Einschätzung sei damals der Erweiterungsvorschlag der G4, also neben Deutschland und Japan auch Indien und Brasilien, für wenigstens 130 Stimmen gut gewesen. 128 hätten genügt, um in der Vollversammlung die nötige Zweidrittel-Mehrheit zu erringen. Doch damals habe es jemanden in der Gruppe gegeben, der zögerte, sagt Pleuger geheimnisvoll. Wer das war, will er nicht sagen. Das alles ist ohnehin Schnee von gestern. Sollte eine neue Bundesregierung einen weiteren Vorstoß wagen, muss eine andere Strategie her. Um in dieser Richtung vorzufühlen, traf sich Außenminister Joschka Fischer am Donnerstag am Rande seines UN-Auftritts denn auch mit den G-4-Vertretern.

Am eigentlichen Reformentwurf gebe es nur Kleinigkeiten zu ändern, glaubt Pleuger. Aber durch die Willenserklärung im Gipfeldokument, das am Freitag zum Ende des Treffens der Staats- und Regierungschefs in New York verabschiedet werden soll, müssen einige Länder ihre Haltung ändern. So können sich China und Pakistan kaum mehr auf ihr grundsätzliches Nein zurückziehen. Auch die USA werden mit ihrer Hoffnung auf eine Minimalerweiterung kaum durchkommen. Zudem hat der Volcker-Bericht zum Korruptionsskandal beim Öl-für-Lebensmittel-Programm zu der Überzeugung beigetragen, dass eine Reform des Sicherheitsrates unabwendbar ist. Die Ermittler hatten nicht nur Missmanagement in der UN-Verwaltung und bei Generalsekretär Kofi Annan festgestellt, auch die Mitglieder des 15-köpfigen Gremiums erhielten ein denkbar schlechtes Zeugnis.

So wird Russland und den USA vorgeworfen, sie hätten ihre Stellung im Sicherheitsrat genutzt, um Mauscheleien bei dem milliardenschweren Hilfsprogramm für den Irak unter der Decke zu halten. Durch mehr Mitglieder erhoffen sich die Reformatoren nun auch mehr Transparenz. „Wir können nicht mehr länger hinnehmen, dass die fünf Vetoländer den Markt unter sich aufteilen und Aufträge nach machtpolitischen Überlegungen zuschanzen“, sagt etwa der Schweizer UN-Botschafter Peter Maurer. Letztlich jedoch hängt wieder alles von den afrikanischen Staaten ab. Können die sich im nächsten Anlauf mehrheitlich auf den Kurs der G4 einigen, käme ein fester Sitz im Sicherheitsrat für Deutschland doch noch in greifbare Nähe.

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