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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.

© Odd ANDERSEN / AFP

Türkei-Spionage in Deutschland: In Erdogans geheimen Diensten

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen einen Berliner Polizisten, der für die Türkei spitzeln soll. Wie reagieren Politik und Justiz in der Hauptstadt?

Nicht nur für die Berliner Polizei, sondern auch politisch sind die Vorwürfe brisant. Nach den Tagesspiegel-Recherchen zu einer möglichen Spionageaffäre eines Beamten für den türkischen Geheimdienst verschärft sich die Kritik am Umgang mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Die Kreuzberger SPD-Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe sieht die Kanzlerin in der Pflicht: „Angela Merkel muss den Spionagevorwurf ansprechen.“ Kiziltepe sieht hinter der türkischen Spionage in Deutschland den „Kontrollwahn eines Autokraten“. Nun müsse geprüft werden, ob die Weitergabe von Informationen an türkische Geheimdienstler ein Einzelfall sei oder ob ein ganzes Spionage-Netzwerk dahinterstecke. Letzteres hält die SPD-Politikerin Kiziltepe für „sehr wahrscheinlich“.

Im Verdacht: Ein höherer Beamter ohne Migrationshintergrund

Tatsächlich hat der türkische Geheimdienst MIT seine Aktivitäten seit 2016 verstärkt. Seit dem damals gescheiterten Putschversuch gegen Erdogan werden auch in Deutschland untergetauchte Oppositionelle und Anhänger der Gülen-Bewegung, die für den Putschversuch verantwortlich gemacht wird, verstärkt verfolgt. Daneben versucht die Türkei, vermehrt Quellen in deutschen Sicherheitsbehörden zu gewinnen und zu platzieren.

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In Berlin war der Polizist entdeckt worden, weil die Spionageabwehr des Verfassungsschutzes einen Mitarbeiter der türkischen Botschaft beobachtet hat. Der ist nach Ansicht der Behörden ein Geheimdienstler. Ihm soll der Polizist Informationen, etwa Meldedaten über in Berlin lebende türkische Oppositionelle und Exilanten, gegeben haben. Staatsanwaltschaft und Polizei ermitteln schon längere Zeit. Der Beamte ist ein höherer Beamter – wohl ohne Migrationshintergrund.

Die Polizei erklärte: Sollte sich der Verdacht „der Übermittlung sensibler Daten an die türkische Botschaft“ bestätigen, „wurde hier nicht nur ein Diensteid gebrochen, sondern eine schwere Straftat begangen“. Polizeipräsidentin Barbara Slowik sagte, sollte sich der Vorwurf erhärten, werde sie alles daran setzen, „diese Person aus dem Dienst der Polizei Berlin zu entfernen“.

Grüne-Politiker Lux fordert mehr Spionageabwehr

Benedikt Lux, Innenexperte der Grünen im Abgeordnetenhaus, sagte dem rbb, sollte sich der Spionageverdacht bestätigen, habe das „kaum absehbare Folgen“ für jene, „die gegen das Erdoganregime sind“, Türken und Kurden, die von Anhängern des Präsidenten eingeschüchtert, bedroht und beobachtet würden. Es sei bekannt, dass Berlin ein Hotspot türkischer Spionage sei. Nötig sei jetzt erhöhte Wachsamkeit, die Tätigkeit des türkischen Geheimdienstes müsse klein gehalten und Spionage-Opfer geschützt werden. Grundsätzlich wertete es Lux als Erfolg, dass ein mögliches Leck in der Polizei entdeckt worden ist. „Wir müssen noch wachsamer sein, die Spionageabwehr muss hochgefahren werden“, sagte Lux.

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Es wäre nicht der erste Fall, dass Bedienstete deutscher Sicherheitsbehörden für die Türkei spitzeln. So war Ende 2016 eine hessische Polizistin, geboren in der Türkei, bei einer Überprüfung als „Sicherheitsrisiko“ eingestuft worden, wie die „Welt“ im Jahr 2017 berichtete. Grund für die Einschätzung waren Kontakte der Beamtin zu Personen, teils Mitarbeitern von Konsulaten, die dem Geheimdienst MIT zugerechnet werden. Bei einem anderen hessischen Beamten war eine Zusammenarbeit nachgewiesen worden. Und beim Bundesamt für Verfassungsschutz waren den Welt-Berichten zufolge Bewerber abgelehnt worden, weil beim Sicherheitscheck Kontakte zum MIT aufgefallen waren.

Türkische Spionage in Deutschland rangiert gleich hinter Russland, China und Iran

Das Bundesamt führt in seinem im Juli vorgestellten Jahresbericht die Spionageaktivitäten der Türkei in Deutschland an vierter Stelle – hinter Russland, China und Iran. Der MIT untersteht seit 2017 direkt Erdogan. Kernaufgabe des Dienstes im Ausland sei die Aufklärung Oppositioneller, heißt es. 2017 forderte die Türkei die Bundesrepublik auf, gegen mehrere hundert Personen – darunter Politiker – vorzugehen, die angeblich zur Gülen-Bewegung gehören.

Das Dossier enthielt Adressen, Telefonnummern und Fotos. Auch 60 Berliner und hier ansässige Unternehmen waren aufgelistet. Das alles belegt aus Sicht des Verfassungsschutzes, „dass der türkische Nachrichtendienst systematisch Informationen über mutmaßliche Gülen-Anhänger in Deutschland zusammenträgt und hierfür auch auf menschliche Quellen und Zuträger zurückgreift“.

Der Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir (Grüne) sprach von einem Versuch, in der Polizei Erdogan-Zellen zu installieren. FDP-Außenexperte Bijan Djir-Sarai erklärte, die Spionagevorwürfe zeigten, „wie zerrüttet die Partnerschaft zwischen Deutschland und der Türkei ist“. Linksfraktion-Vize Sevim Dagdelen sagte, von Spitzeln weitergegebene Informationen seien ein Gefahr für Leib und Leben von Erdogan-Kritikern in Deutschland. Die Bundesregierung müsse einen Plan vorlegen, um „Oppositionelle vor Erdogans Spitzel- und Entführungskommandos sowie etwaigen Todesschwadronen“ zu schützen.

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