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Politik: In Frankreich ist Vater Staat der Erzieher

Frankreich hat nach Irland eine der höchsten Geburtenraten in Europa. Nach den Ergebnissen von Laurent Toulemon (44), Forschungsdirektor am Pariser Nationalen Institut für Demographische Studien, liegt seit dem Ende des Baby-Booms um 1975 die Zahl der Geburten pro Frau dort ziemlich stabil bei zirka 1,8 Kindern, und heute bei mehr als 1,9.

Frankreich hat nach Irland eine der höchsten Geburtenraten in Europa. Nach den Ergebnissen von Laurent Toulemon (44), Forschungsdirektor am Pariser Nationalen Institut für Demographische Studien, liegt seit dem Ende des Baby-Booms um 1975 die Zahl der Geburten pro Frau dort ziemlich stabil bei zirka 1,8 Kindern, und heute bei mehr als 1,9. Diese Stabilität unterscheidet Frankreich von den anderen EU-Ländern.

Toulemon führt die französische Entwicklung paradoxerweise auf ein Sinken der französischen Geburtenrate zurück – im 19. Jahrhundert. „Frankreich war das erste Land, in dem die Geburtenrate zu sinken begann, während auch die Sterblichkeit geringer wurde“, berichtet Toulemon. Im Unterschied zu Deutschland, England oder Italien, wo sich die Bevölkerung verdoppelt habe, habe Frankreich darum im 19. Jahrhundert nicht eine große Zunahme der Einwohnerzahl erlebt. Frankreich sei ein dünn besiedeltes Land geblieben. „Dies hat die Mentalität bis heute geprägt“, sagt der Demograph. „Vor allem seit der Niederlage von 1870 existiert in Frankreich immer die Angst, dass wir zu wenig Kinder haben.“

In der Zwischenkriegszeit habe auch in Frankreich eins von fünf Paaren keine Kinder gehabt, heute bliebe nur ein Paar von zwanzig kinderlos. Dabei spiele der Einfluss der katholischen Kirche kaum eine Rolle, ebenso wenig die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs. Einen größeren Einfluss als auch die zahlreichen Beihilfen für die Familien, der Mutterschafts- und Elternurlaub, habe indes die sehr frühe Einschulung. „Mit zwei Jahren gehen bereits zwei Drittel der Kinder in die Vorschule, ab drei Jahren fast alle. Die Mütter wissen, dass sie spätestens ab dem dritten Lebensjahr ihrer Kinder die Möglichkeit haben, den Tag über für ihre Arbeit abwesend zu sein“, so Toulemon.

In Frankreich gehe man davon aus, dass der Staat sich um die Kinder kümmern müsse. Oder auch, dass beispielsweise die Kinder, die zu Hause nicht gut ernährt werden, in der Schulkantine eine vollwertige Mahlzeit erhalten sollten. Der Staat müsse ein guter Erzieher sein. „Die Frauen werden nicht schief angeschaut, wenn sie vollzeitlich arbeiten und ihre Kinder den ganzen Tag in eine Krippe und später die Vorschule schicken. Sie sind nicht gezwungen, zwischen Beruf und Kinderkriegen zu wählen.“

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