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Politik: In guten wie in schlechten Zeiten

Die Grünen betrachten die Umfragewerte der Sozialdemokraten mit wachsender Sorge.Steht die Partei trotzdem weiterhin zu Rot-Grün?

Die Grünen-Führung setzt ein halbes Jahr vor der Wahl alles auf die rot-grüne Karte. Andere Koalitionsoptionen auch nur anzudeuten, gilt in der Ökopartei als Tabu. „Wir kämpfen in diesem Bundestagswahlkampf für starke Grüne in einer Regierungskoalition mit der SPD, weil wir in diesem Regierungsbündnis die besten Chancen sehen, den grünen Wandel umzusetzen“, heißt es im Entwurf für das Wahlprogramm.

Was aber, wenn es am 22. September nicht für die Wunschkoalition reicht? Wären die Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Jürgen Trittin sowie die Parteivorsitzenden dann auch zu Gesprächen mit der Union bereit? Darüber laut nachzudenken, traut sich derzeit kaum jemand. Das liegt auch an der verbreiteten Analyse, dass schwarz-grüne Gedankenspiele einen großen Teil der eigenen Anhänger vergraulen könnten. Ob Grünen-Sympathisanten im Zweifelsfall Schwarz-Grün lieber wäre als eine große Koalition, wird nicht thematisiert.

Erschwerend kommt hinzu: Die Debatte über andere Bündnisse als mit der SPD hat die Grünen-Spitze bereits vor gut einem Jahr im Keim erstickt. Fraktionschef Trittin gab damals die Losung aus, dass die Grünen die schwarz-gelbe Regierung „rückstandsfrei“ entsorgen wollen. Mit dieser Linie setzte er sich vom bis dahin beschworenen „Kurs der Eigenständigkeit“ ab, der auch immer eine Offenheit gegenüber anderen Partnern beinhaltete. Diese Strategiedebatte neu zu eröffnen, wäre zum jetzigen Zeitpunkt, da der Wunschkoalitionspartner SPD schwächelt, für jeden aus der Grünen-Spitze äußerst schwierig.

Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer betrachtet die aktuellen Umfragewerte der Sozialdemokraten daher mit Galgenhumor. „Defätismus. Die Zahlen ein halbes Jahr vor der Wahl sind glasklar. 35 Prozent Vorsprung für Merkel, elf Prozent Rückstand für Rot-Grün. Wie sich darauf eine Wahlkampfstrategie Rot-Grün und sonst nichts aufbauen lässt, bleibt mir unerklärlich“, kritisiert der grüne Ober-Realo auf seiner Facebook-Seite.

Der grüne Kreisverband Frankfurt fordert in einem Antrag für den Parteitag Ende April, die Fixierung auf die SPD aus dem Wahlprogramm ein wenig abzuschwächen. Die SPD sei nicht die „Schwesterpartei“ der Grünen, einen rot-grünen Wahlkampf mit „gemeinsamen Auftritten und Ansprachen“ dürfe es daher nicht geben, heißt es darin. Dass der Kreisverband für seine Forderung eine Mehrheit erhält, gilt jedoch als unwahrscheinlich. Mit seinem Plädoyer, sich endlich vom Lagerwahlkampf zu verabschieden, war bereits der bayerische Landesvorsitzende Dieter Janecek Anfang des Jahres in der Parteiführung deutlich angeeckt. Cordula Eubel

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