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Politik: In letzter Minute

Nächste Woche sollen EU-Truppen unter UN–Mandat im Osten Kongos landen, um die Massaker zu stoppen

DIE FRIEDENSTRUPPE FÜR KONGO

Von Thomas Gack, madrid, und

Wolfgang Drechsler, Kapstadt

Gleich neben der Asche seines Hauses schaufelt Ruhigwa Likoka Erde über die aufgeschlitzten Körper seiner vier kleinen Kinder. Die üppig grünen Hügel nahe der Stadt Bunia, auf denen der Kleinbauer einst etwas Mais pflanzte, sind menschenleer. Seine Nachbarn sind vor den Stammeskämpfen geflohen, die in den letzten Wochen in der nordostkongolesischen Provinz Ituri gewütet und vermutlich Tausenden das Leben gekostet haben.

Die Hügel unweit von Bunia sind nur eine der ungezählten Stätten des Grauens. Orte wie diesen lassen sich zuhauf finden, seit die Stämme der Hema und Lendu mit allen nur denkbaren Mitteln versuchen, sich gegenseitig auszurotten. Wie viele Menschen seit Beginn der Kämpfe vor zwei Monaten hier umgekommen sind, ist unklar, doch scheint die Zahl weit größer als bislang angenommen. Gerade erst wurden nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) 350 weitere Mitglieder beider Volksgruppen bei neuerlichen Unruhen getötet.

Ebenso vage sind die Schätzungen zur Zahl der Flüchtlinge. In Bunia, dem Zentrum der Kämpfe, spricht man von bis zu einer Million. Bunia war einst das Hauptquartier der ugandischen Armee bei ihrem Feldzug im Ostkongo. Als die Ugander vor wenigen Wochen auf internationalen Druck hin abzogen und ein Machtvakuum hinterließen, setzten die Gemetzel ein. Seither wird der Ort von Kindersoldaten patrouilliert. Einige sind kaum zehn Jahre alt und Vollwaisen. Sie werden von örtlichen Warlords rekrutiert, die die Furchtlosigkeit der Kinder gnadenlos missbrauchen.

Warum die UN-Blauhelme dem Morden bislang weitgehend tatenlos zugeschaut und auch die Zivilbevölkerung nicht beschützt haben, ist schwer zu erklären. Einige machen das unzureichende UN-Mandat, andere die komplexe Entscheidungsstruktur für die Apathie verantwortlich. Der französische Chef der Blauhelme klagt bitter über die fehlende Autorität der Zentralregierung in Kinshasa, die als einzige das Morden hier beenden könnte. Bis dahin müsse eine ausreichend starke internationale Streitmacht versuchen, in dem Hexenkessel für Ruhe und Ordnung zu sorgen.

Die könnte vor allem aus Europa kommen. Es sei ,,höchst wahrscheinlich", sagte die Sprecherin von Javier Solana, des außenpolitischen Repräsentanten der EU, am Dienstag in Madrid, dass die Europäische Union den Bitten der UN nachkomme und Truppen in den Kongo schicke.

Tatsächlich zweifelte am Dienstag beim Treffen der Nato-Außenminister in Madrid niemand mehr daran, dass die EU-Botschafter am Mittwoch für den Kongo-Einsatz der EU unter UN-Mandat grünes Licht erteilen werden. Die 15 Regierungen können im schriftlichen Verfahren zwischen den Hauptstädten den offiziellen Beschluss nachliefern. Da Gefahr im Verzug ist, weitere Massaker im Nordosten des Kongo verhindert werden müssen, drängen die Diplomaten: Der EU-Militärstab und die ersten französischen Einheiten müssen sofort mit den konkreten Vorbereitungen beginnen. Schon nächste Woche sollen erste Eingreiftruppen der EU in der von Stammeskämpfen erschütterten Provinz Ituri für Ruhe und Ordnung sorgen.

Um weiteres Blutvergießen in Kongo zu verhindern und einen dauerhaften Frieden zu ermöglichen, soll die Stärke der UN-Truppen in dem zentralafrikanischen Land auf nahezu 11 000 Soldaten verdreifacht werden. Das fordert UN-Generalsekretär Kofi Annan in einem Sonderbericht zur Lage in Kongo, über den der Weltsicherheitsrat an diesem Mittwoch Beratungen aufnimmt. Auch nach Ansicht der Deutschen Welthungerhilfe muss die Eingreiftruppe für Kongo mehr als die geplanten 1400 Soldaten betragen. Um die Milizen zu entwaffenen, sei eine Truppe von 2000 bis 3000 Mann notwendig, erklärte die Hilfsorganisation am Dienstag.

Der bevorstehende Einsatz in Kongo trägt schon vor Ankunft der ersten Soldaten zur Beruhigung der Lage bei. In Erwartung französischer Truppen zogen sich die Rebellen in der Stadt Bunia am Dienstag in ihre Stützpunkte zurück, wie Vertreter der Vereinten Nationen am Dienstag vor Ort mitteilten.

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