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Politik: In zehn Tagen beginnt das Berufungsverfahren gegen Öcalan - von seiner "Friedensdelegation" wollen die türkischen Militärs nichts wissen

Vor einem Jahr dürfte dem kurdischen Rebellenführer Abdullah Öcalan in seiner Villa in Damaskus langsam klar geworden sein, dass die türkische Armee es diesmal ernst meinte: Unter ihrem neuen Generalstabschef Hüseyin Kivrikoglu starteten die Türken im September 1998 eine entschlossene Kampagne gegen Syrien, um den Chef der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) aus seinem sicheren Exil zu vertreiben, von dem aus er seine Truppen gegen die Türkei lenkte.Ein Jahr später ist nichts mehr, wie es fast 15 Jahre lang war im Kurdenkonflikt: Aus seiner Todeszelle auf der Gefängnisinsel Imrali heraus macht Öcalan der Türkei Friedensangebote, die PKK zieht sich von türkischem Gebiet zurück, und eine Rebellendelegation ist mit einer weißen Flagge unterwegs in die Türkei.

Vor einem Jahr dürfte dem kurdischen Rebellenführer Abdullah Öcalan in seiner Villa in Damaskus langsam klar geworden sein, dass die türkische Armee es diesmal ernst meinte: Unter ihrem neuen Generalstabschef Hüseyin Kivrikoglu starteten die Türken im September 1998 eine entschlossene Kampagne gegen Syrien, um den Chef der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) aus seinem sicheren Exil zu vertreiben, von dem aus er seine Truppen gegen die Türkei lenkte.

Ein Jahr später ist nichts mehr, wie es fast 15 Jahre lang war im Kurdenkonflikt: Aus seiner Todeszelle auf der Gefängnisinsel Imrali heraus macht Öcalan der Türkei Friedensangebote, die PKK zieht sich von türkischem Gebiet zurück, und eine Rebellendelegation ist mit einer weißen Flagge unterwegs in die Türkei. Der PKK-Chef kämpft um sein eigenes Leben und um einen halbwegs ehrenhaften Ausweg für seine Rebellen. Die Zeit drängt - denn in zehn Tagen beginnt im Fall Öcalan das Berufungsverfahren. Für das Schicksal des PKK-Chefs wie auch für den Ausgang des 15-jährigen PKK-Krieges dürften die nächsten Tage entscheidend werden.

Die Gefangennahme Öcalans im Februar hat den langen und blutigen Krieg kurz vor sein Ende gebracht, so viel ist inzwischen gewiss. Die Frage für die PKK, die militärisch ohnehin schon längst in der Defensive war und mit der Ergreifung ihres Chefs auch politisch enthauptet wurde, lautet nur noch, ob der Konflikt für sie in der totalen Niederlage endet oder ob noch ein Verhandlungsfrieden herauszuschlagen ist. Mit der Abkehr von der Forderung nach einem Kurdenstaat und mit der Einstellung des bewaffneten Kampfes gegen die Türkei will Öcalan die Türken zumindest dafür gewinnen, seine Anhänger zu amnestieren, ihn selbst leben zu lassen und die aufständischen Kurden wieder in die türkische Gesellschaft einzugliedern.

Einen einseitigen Waffenstillstand, den bedingungslosen Rückzug der Rebelleneinheiten aus der Türkei und die unwiderrufliche Einstellung des bewaffneten Kampfes hat Öcalan seit seinem Hochverratsprozess vom Sommer schon ausgerufen. Die Türken beharren aber darauf, dass sich die PKK-Kämpfer mit ihren Waffen ergeben müssen, bevor sie mit der militärischen Verfolgung der Rebellen aufhören. Alles andere sei Propaganda, erklärte der türkische Generalstab erst am Dienstag wieder.

An dem enormen Misstrauen der Türken ist die PKK auch selber schuld. Denn ein erster von den Rebellen ausgerufener Waffenstillstand endete 1993 in einem blutigen Massaker der PKK an 33 Wehrdienstleistenden der türkischen Armee. Seither will die Armee von Verhandlungsangeboten der PKK nichts mehr wissen.

Als weitere vertrauensbildende Maßnahme kündigte die PKK die Entsendung einer Friedensdelegation in die Türkei an: Rund ein Dutzend Rebellen sollen aus ihrem nordirakischen Rückzugsgebiet zu einer symbolischen Waffenniederlegung in die Türkei kommen. Der Trupp, der am Wochenende aufbrach, führt eine weiße Flagge mit und ist mit Schreiben des PKK-Zentralkomitees an die türkische Staats- und Militärführung ausgestattet. Diese "Friedensdelegation" ist sozusagen das letzte Aufgebot der PKK in ihrem Rückzugsgefecht für eine Amnestie. Entsprechend panisch ist daher die Stimmung unter den Rebellen, seit die Delegation unterwegs offenbar in Schwierigkeiten geriet. Der PKK-Führungsrat sprach schon am Sonntag besorgt von "bestimmten Problemen" bei der Mission. Und Abdullah Öcalan selbst schlug in einer neuen Erklärung vom Dienstag einen schon fast verzweifelten Ton an, als er vor "unkontrollierbaren Entwicklungen" warnte, falls die Türkei in ihrer "verantwortungslosen Haltung" verharre.

Hintergrund ist offenbar ein Stimmungsumschwung bei der türkischen Armee, die sich zunächst abwartend bis wohlwollend verhalten hatte, jetzt aber alle PKK-Angebote mit einem Schlag vom Tisch fegte: "Die Türkischen Streitkräfte werden den Kampf fortsetzen, bis auch der letzte Terrorist neutralisiert ist."

In PKK-Kreisen wird nun befürchtet, dass die "Friedensdelegation" schon vor der türkischen Grenze abgefangen worden sein könnte - zumal aus dem Grenzgebiet zum Irak unbestätigte Berichte über türkische Militäroperationen auf irakischem Gebiet vorliegen. Das Scheitern der PKK-Delegation würde Öcalans Befürchtungen erklären - denn mit seinen Getreuen schwänden auch seine Aussichten für die Berufungsverhandlung am 7. Oktober. Die Anwälte des PKK-Chefs wollen auf Umwandlung der Todesstrafe in lebenslange Haft wegen tätiger Reue plädieren - was vor dem Hintergrund von Friedensverhandlungen zwischen der PKK und Ankara leichter wäre als bei einem Wiederaufflammen der Kämpfe.

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