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Indonesien: In kritischer Verfassung

Indonesien diskutiert über den Umgang mit dem todkranken Ex-Diktator Suharto. Die Ärzte haben Verwandten geraten, sich auf das Schlimmste gefasst zu machen: „Suhartos Zustand ist sehr kritisch.

Die Chancen stehen 50 zu 50“, sagte Mardjo Soebiandono am Sonntag. Der Arzt behandelt den 86-jährigen Mohammed Suharto, den General, der Indonesien von 1967 bis 1998 mit einem Militärregime regierte. Seit zehn Tagen sind Suhartos Organe schwach, am Freitag versagten Herz und Nieren zwischenzeitlich ganz. Suhartos blieb nur mit Hilfe von medizinischen Geräten am Leben und wird nun meist künstlich beatmet. Sein möglicher Tod hat im mittlerweile demokratischen Indonesien eine Diskussion über den Umgang mit dem General ausgelöst.

Menschenrechtler halten Suharto für einen Massenmörder. Korruptionsermittler nennen ihn den größten Dieb aller Zeiten, er habe bis zu 35 Milliarden US-Dollar gestohlen. Die Anhänger des Generals erinnern dagegen daran, dass seine Politik für Entwicklung sorgte, die Millionen von Menschen half. Suharto stand nie persönlich vor Gericht. Ein Korruptionsstrafverfahren gegen ihn scheiterte wegen attestierter Verhandlungsunfähigkeit. Später erhob die Staatsanwaltschaft Zivilklage. Dieses Verfahren kann in Abwesenheit des Beklagten stattfinden, Anwälte vertreten Suharto. Er soll in einer Stiftung 441 Millionen US-Dollar veruntreut haben. Der jüngste Gerichtstermin fand vergangene Woche statt während Suharto auf der Intensivstation lag. Einigen Politikern gefiel das nicht. „Wir haben Generalstaatsanwalt und Präsident gebeten, alle Rechtsverfahren gegen Suharto einzustellen“, sagte Theo Sambuanga, Vizechef der Golkar-Partei, die früher Suhartos Sprachrohr war und heute noch mit regiert. „Die Einstellung des Verfahrens ist unmöglich“, sagte Generalstaatsanwalt Heindarman Supanji zunächst. „Es wird, sollte Suharto sterben, gegen seine Kinder fortgeführt.“ Vier Tage später gab sich der Jurist allerdings dann versöhnlich: „Wir haben eine Vereinbarung mit der Suharto-Familie getroffen, nach der die Klage außergerichtlich beigelegt wird.“ Allerdings war genau das vor vier Monaten bereits probiert worden – ohne Erfolg. „Wir werden niemals Geld zahlen“, stellte am Montag Suharto-Anwalt Cornelius Kaligis klar.

Die Diskussion um den General zeigt, wie schwierig die Anerkennung von Suhartos Verdiensten einerseits und die Verurteilung seiner Untaten andererseits ist. Nach Suhartos Machtübernahme starben Hunderttausende durch Gewalt. Indonesien hat die Vergangenheitsbewältigung bislang vertagt. Eine Wahrheitskommission kam nicht voran. Präsident Susilo Bambang Yudhoyono fordert jetzt, da Suharto so sterbenskrank ist, Ruhe für den General. „Lasst uns die Debatten stoppen. Sie sind derzeit unanständig. Trotz einiger Mängel müssen wir Suharto Respekt und Dankbarkeit erweisen“, sagte Yudhoyono. Er brach eine Malaysia-Reise ab und strich den Empfang des Premierministers von Birma. Kritiker sehen in Yudhoyonos weicher Suharto-Linie die Bankrotterklärung eines angeblichen Antikorruptionspräsidenten.

Doch wie Yudhoyono wünschen immer mehr Indonesier, dass Suharto geschont wird. Ein Staatsbegräbnis wird vorbereitet. Fast alle wichtigen Persönlichkeiten aus Politik, Militär und Religion besuchten den General im Krankenhaus. Sogar Menschenrechtler kamen. Sie erinnerten an Suhartos Verbrechen, beteten gleichzeitig aber auch für dessen Gesundheit. Nur wenn der General gesund sei, könne er vor ein Gericht gestellt werden.

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