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Politik: Indonesiens Armee unter Erfolgsdruck - doch die Ursachen sind mit militärischen Mitteln nicht zu beseitigen

Die indonesische Armee erwägt, mehr Truppen auf die von Unruhen erschütterten Molukken-Inseln zu schicken und eine Ausgangssperre zu verhängen. Verteidigungsminister Widodo hat angekündigt, das Militär werde alles in seiner Macht Stehende tun, um das Blutvergießen zu beenden.

Die indonesische Armee erwägt, mehr Truppen auf die von Unruhen erschütterten Molukken-Inseln zu schicken und eine Ausgangssperre zu verhängen. Verteidigungsminister Widodo hat angekündigt, das Militär werde alles in seiner Macht Stehende tun, um das Blutvergießen zu beenden. Der Militärkommandeur der Molukken-Region, Max Taemeala, sagte, die Situation sei wieder "relativ unter Kontrolle". Die Regierung kündigte zugleich Beschränkungen für Journalisten an und warf der Presse vor, die Zahl der Opfer in dem fast einjährigen Konflikt übertrieben zu haben. Menschenrechtsorganisationen kritisieren derweil die mangelnde Transparenz der Militäraktionen und fordern, dass Journalisten Zugang zu den Einsatzgebieten der Armee erhalten.

Bisher wurde die Truppenstärke auf den Inseln auf 12 000 Mann erhöht. Die Sicherheitskräfte konnten nach eigenen Angaben inzwischen Barrieren zwischen den verfeindeten Christen und Muslimen errichten. Der Flüchtlingsstrom von Halmahera und anderen Inseln hielt unterdessen an. Zehntausende flohen nach Ambon, wo sie in Moscheen, Kirchen, Schulen und Kasernen Zuflucht suchten. Ihre Versorgung ist nicht gesichert. Die Zusammenstöße auf den als Gewürzinseln bekannten Molukken forderten seit Anfang 1999 rund 1500 Menschenleben.

Hinter den blutigen Auseinandersetzungen verbergen sich tiefer liegende Gründe. Während rund 90 Prozent der 200 Millionen Indonesier Muslime sind, bekennen sich auf den Molukken rund die Hälfte der zwei Millionen Einwohner zum Christentum. Ursprünglich war ihr Anteil noch höher, durch staatliche Umsiedlungsprogramme und spontane Migration kamen in den vergangenen Jahren jedoch zunehmend Menschen von den islamisch dominierten Inseln Java und Sulawesi in die Provinz.

Die Einheimischen, die der Volksgruppe der Melanesier angehören und sich der alten Kolonialmacht Holland weitaus stärker verbunden fühlen als der Regierung in Jakarta, wurden allmählich von den Zugewanderten aus den wichtigen Positionen in Wirtschaft und Administration verdrängt. Parallel dazu betrieb die indonesische Verwaltung eine systematische Zerstörung der alten Traditionen und Strukturen. Auch die Gewürzinseln sollten islamisiert werden.

Der Konflikt könne auch mit dem rapiden Wandel des gesamten Landes erklärt werden, meint der islamische Gelehrte Nurcholish Majid. Industrialisierung und Modernisierung hätten zu einer starken Verunsicherung in der Gesellschaft geführt. Der Zerfall kollektiver und traditioneller Lebensmuster hinterlasse ein Vakuum, das die Feindschaft gerade zwischen dörflichen Gemeinschaften schüre. Je stärker soziale und kulturelle Spannungen entstünden, umso mehr suchten die Menschen Rückhalt in ihren religiösen Wurzeln. Oft genügt ein Tropfen, um das Fass zum Überlaufen zu bringen und die Menschen gegeneinander aufzubringen. So soll der Auslöser für die Gewalt vor zwei Wochen ein Autounfall gewesen sein, bei dem ein christlicher Fahrer ein muslimisches Mädchen angefahren hatte.

Beobachter von Menschenrechtsgruppen vermuten, dass dieser Nährboden sowohl von lokalen als auch von eingeschleusten Provokateuren genutzt wird, vor allem von Gefolgsleuten des ehemaligen Diktators Suharto. Sie verfolgen das Ziel, die neue Regierung zu destabilisieren und weiterhin die starke Rolle des Militärs in Indonesien zu legitimieren.

Nun wird das indonesische Militär die entscheidende Rolle spielen müssen, um die Gewalt zu stoppen. Doch die Generäle zögern. Sollten die Versuche scheitern, könnte die Öffentlichkeit das Militär mit der fortgesetzten Gewalt in Verbindung bringen. Ohnehin ist das Ansehen der Armee ramponiert, seit Offiziere und Soldaten für Verbrechen in Ost-Timor vor Gericht zur Verantwortung gezogen werden. Zudem würden die Ereignisse auf den Molukken einen weiteren Machtverlust für den Zentralstaat bedeuten und Separatisten in anderen Provinzen motivieren.

Das Militär steht unter Erfolgsdruck, nachdem es die Kontrolle über die Inseln übernommen hat. Dennoch zweifelt selbst Präsident Wahid an der Fähigkeit der Armee, die Ordnung wiederherzustellen. Es sei völlig ungewiss, welchen Effekt die militärische Intervention haben wird, sagte er der Zeitung Jakarta Post. Wahid führt als Präsident zugleich das Oberkommando der Streitkräfte und ist somit verantwortlich für die Aktionen des Militärs. Noch weiß die Regierung die öffentliche Meinung hinter sich, doch wenn die Armee kurzfristig kein Ende der Gewalt herbeiführen kann, wird der Druck auf das Kabinett aus dem In- und Ausland wachsen.

Michael Streck

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