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Industriespionage: Vom Islamisten zum Produktpiraten

Innenminister de Maizière betont im Verfassungsschutzbericht die Gefahr durch Industriespionage. Schurkenstaaten nennt er nicht, doch wen er gemeint hat, lässt sich im Jahresbericht des BfV nachlesen.

Von Frank Jansen

Berlin - Es gab Bundesinnenminister, die sprachen erst einmal lange über Extremisten – und es gibt Thomas de Maizière (CDU). Als er am Montag den Jahresbericht 2009 des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) vorstellt, nennt er als ersten Schwerpunkt die von Staaten gelenkte Wirtschaftsspionage gegen deutsche Unternehmen. Damit signalisiert de Maizière, dass er die Öffentlichkeit und vor allem die Wirtschaft für eine Gefahr sensibilisieren will, die angesichts bombenwerfender Islamisten und anderer Fanatiker kaum wahrgenommen wird. „Das Risiko, ausspioniert zu werden, steigt durch das Internet erheblich“, warnt der Minister und erwähnt die gefürchteten „Trojaner“. Dann spricht er über spezielle Spione, „non professionals“, die Unternehmen ausspähen – manchmal harmlos wirkende Studenten, Doktoranden, Professoren.

Schurkenstaaten nannte de Maizière nicht, doch wen er gemeint hat, lässt sich im Jahresbericht des BfV nachlesen. Da werden ausführlich die Spionagekapazitäten Russlands und Chinas beschrieben. „Auf wissenschaftlich-technologischem Gebiet lag der Schwerpunkt der Beschaffungsaktivitäten bei Informationen über Biotechnologie sowie Luft- und Raumfahrt“, steht da unter anderem über die russischen Aktivitäten. Und ein Fall wird geschildert, wie im September 2009 in Süddeutschland der chinesische Geschäftspartner einer Firma bei einer Werksbesichtigung auffiel, „als er mit einer verdeckt getragenen Minikamera Filmaufnahmen fertigte“.

Mit Extremisten befasst sich de Maizière dann natürlich auch noch. Er nennt den islamistischen Terror, der unvermindert gefährlich bleibe, auch wenn die Propagandaoffensive von Al Qaida und anderen Gruppen gegen Deutschland sich in diesem Jahr „in milderer Form“ äußere. Nur kurz geht der Minister auf das Reizthema Milli Görüs ein, obwohl er sich im März mit dem türkischen Islamistenverein angelegt hat. Der von Milli Görüs dominierte Islamrat darf auf Geheiß des Ministers erstmal nicht mehr an der Islamkonferenz teilnehmen. Anlass sind Ermittlungen gegen Spitzenfunktionäre von Milli Görüs und der Islamischen Gemeinschaft Deutschlands (IGD) wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung, angesichts des dubiosen Umgangs mit Spenden.

Im Jahresbericht des BfV wird die Gefahr, die von der um ein seriöses Erscheinungsbild bemühten Milli Görüs und von der IGD ausgeht, klar benannt. Beide gelten als „beispielhaft“ für legalistisch agierende Gruppierungen, die aber auch die Herrschaftsverhältnisse zugunsten eines islamischen Staatswesens ändern und „Freiräume für ein schariakonformes Leben“ schaffen wollten. Auf diese Weise könnten solche Gruppierungen ebenfalls „zur Entstehung von Parallelgesellschaften beitragen und Radikalisierungsprozesse initiieren“, heißt es. Milli Görüs ist die größte islamistische Organisation in Deutschland und wuchs im vergangenen Jahr auf 29 000 Mitglieder (2008: 27 500). Die IGD zählt unverändert etwa 1300 Anhänger.

Das „Islamismuspotenzial“ in der Bundesrepublik stieg laut BfV von 34 720 Personen auf 36 270. Die Zahl der Mitglieder weiterer extremistischer Ausländerorganisationen blieb mit 24 710 nahezu konstant. Größte Gruppierung ist hier mit 11 500 Mitgliedern die kurdische Arbeiterpartei PKK, auch wenn sie in Deutschland einem Betätigungsverbot unterliegt.

Beim Linksextremismus registrierte das BfV eine Zunahme auf 31 600 Personen (2008: 31 200), beim Rechtsextremismus einen Rückgang auf 26 600 Personen (30 000). Im linksextremen Spektrum fiel vor allem die Zunahme bei den Autonomen und anderen Gewaltorientierten auf 6600 (6300) auf. Im Kontrast dazu schwächelt die NPD (6800 Mitglieder, vorher 7000). Außerdem stagniert Scientology (maximal 5500 Mitglieder).

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