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Rote Zahlen bei der Pkw-Maut?

© Julian Stratenschulte/dpa

Infrastrukturabgabe: Rechnet sich die Pkw-Maut überhaupt?

Bundestag und Bundesrat debattieren den zweiten Anlauf für Alexander Dobrindts Pkw-Maut. Der Verkehrsminister betont den finanziellen Mehrwert. Wissenschaftler befürchten ein Zuschussgeschäft.

Dass der Bundesrat an diesem Freitag bei der Pkw-Maut einen Aufstand inszeniert, ist unwahrscheinlich. Der erste Satz in der Stellungnahme der Länder zum Gesetz, mit dem die veränderte Form der Infrastrukturabgabe eingeführt werden soll, wird wohl keine Mehrheit bekommen: dass nämlich der Bundesrat den Entwurf ablehnt. Sozusagen in Bausch und Bogen.

Zwar sind die Grünen gegen die Mautpläne, wie sie Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) seit vier Jahren verfolgt, beginnend mit dem CSU-Wahlkampfschlager der „Ausländermaut“. Auch in der SPD gibt es massive Bedenken, sie reichen hinein bis in die CDU. Aber der Bundesrat kann die Maut nicht verhindern, indem er die Zustimmung verweigert. Es ist ein so genanntes Einspruchsgesetz, allenfalls können die Länder den Vermittlungsausschuss anrufen und so das Inkrafttreten verzögern.  Dass sie das tun, dafür gibt es bisher keine eindeutigen Signale.

Vorerst sieht man im Bundesrat den Ball eher in der Hälfte des Bundestages. Der berät Dobrindts Großvorhaben ebenfalls an diesem Freitag in erster Lesung. Geht es nach dem Minister, soll das Verfahren zügig vorankommen. Immerhin drängt die Zeit. Aber auch im Bundestag wird es um zwei Punkte gehen, welche in den Ländern kritisch gesehen werden: die Auswirkung der Maut auf die Grenzregionen und die Einnahmeprognose Dobrindts, welche auch der Bundesrechnungshof und auch die Bürokratiewächter im Normenkontrollrat anzweifeln.

Dobrindt: 830 Millionen von Ausländern

Bei der Frage, ob die Einnahmen tatsächlich höher sind als die Kosten, kommt es allein auf die Einnahmen aus dem Vignettenverkauf an ausländische Nutzer deutscher Autobahnen an. Denn alle  Halter von im Inland zugelassenen Fahrzeugen bekommen die Kosten der elektronischen Jahresvignette von der Kfz-Steuer abgezogen, was für alle, die bereits einen Wagen mit der neuen Euro-6-Abgasnorm sogar zu einer Erstattung führt, was die Mautkosten nach Ansicht des Bundesfinanzministeriums um etwa 100 Millionen Euro im Jahr erhöht (bezogen auf das Einführungsjahr 2019).

Dobrindt veranschlagt die Gesamteinnahmen auf gut 3,9 Milliarden Euro. Die entscheidenden Mehreinnahmen von Ausländern taxiert er auf etwa 830 Millionen Euro im Jahr. Die laufenden Kosten werden mit 210 Millionen Euro veranschlagt, die früher ebenfalls genannten Einführungskosten gibt das Verkehrsministerium neuerdings nicht mehr gesondert an. Bleiben also, wenn man den Verlust wegen der Besserstellung der abgasarmen Autos ebenfalls ansetzt, gut 500 Millionen Euro, welche der deutsche Fiskus an Mehreinnahmen hätte.

ADAC-Gutachten: 276 Millionen von Ausländern

Etwas anders sieht es freilich der Verkehrsexperte Ralf Ratzenberger, der im Auftrag des ADAC die Herleitung der Dobrindt-Zahlen unter die Lupe genommen hat. Sein Ergebnis: Im Einführungsjahr liegen die Gesamteinnahmen bei 3,3 Milliarden Euro, denn Ausländer tragen nur mit 276 Millionen Euro bei. Abzüglich der Steuerentlastung (die Ratzenberger bei 137 Millionen Euro sieht) und der laufenden Betriebskosten käme ein Minus von 71 Millionen Euro heraus.

Der Experte zieht zudem noch die von Dobrindt nicht mehr gesondert erwähnten Einführungskosten hinzu, umgelegt auf zehn Jahre, das Minus wäre dann bei 109 Millionen Euro. Da Ratzenberger annimmt, dass die Gesamteinnahmen ab 2019 sinken, wächst das jährliche Minus auf 213 Millionen Euro im Jahr 2023. Kurzum: Nach diesem Gutachten ist die Pkw-Maut, trotz Ausländerbeteiligung, ein Zuschussgeschäft.

Die Differenz ist schnell erklärt: Sie bezieht sich auf die Annahmen zu Art und Umfang der (häufig grenznahen) Privatfahrten und „Tagesgeschäftsreisen“ von Ausländern nach Deutschland und daraus resultierenden unterschiedlichen Einnahmeprognosen. Diese Fahrten machen nach den Schätzungen immerhin die Hälfte aller Einfahrten von Ausländern nach Deutschland aus, doch ist die Datenbasis hier (etwa im Vergleich zu Urlaubsfahrten) eher mager.

Würden sich Bundestag und Bundesrat darauf verständigen, die vor allem von Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen geforderten Ausnahmen für Grenzregionen ins Gesetz aufzunehmen, dürfte sich das auch auf Dobrindts Berechnungen auswirken. Seriös lässt sich das nach Expertenmeinung zwar nicht beziffern. Aber die Luft könnte dann dünner werden für den CSU-Politiker.

Teils magere Datenbasis

Der Verkehrswissenschaftler Wolfgang H. Schulz, der an der Zeppelin-Uni Friedrichshafen lehrt, bezeichnet in einem Gutachten die Zahlen des Verkehrsministers als plausibel. Er kommt sogar zu dem Schluss, dass wegen konservativer Annahmen die Berechnung sogar die Tendenz aufweise, „die Mauteinnahmen zwischen 10 Prozent und 25 Prozent zu unterschätzen“.

Das hat nun den ebenfalls an der Zeppelin-Universität arbeitenden Verkehrsökonomen Alexander Eisenkopf bewogen, ein eigenes Gutachten zu erstellen. Er ärgert sich, dass Dobrindt auf seiner Webseite mit den möglicherweise um 25 Prozent höheren Einnahmen wirbt, während für diese Behauptung „an keiner Stelle im Gutachten eine auch nur rudimentäre Beweisführung erbracht wird“, wie er dem Tagesspiegel sagte. Eisenkopf, der dem Wissenschaftlichen Beirat des Bundesverkehrsministeriums angehört, ist der Meinung, dass das Dobrindt-Ressort dazu neige, die Einnahmen zu überschätzen. Es ist aus seiner Sicht fraglich, ob das prognostizierte Niveau erreicht wird, weshalb er empfiehlt, „im Sinne einer vorsichtigen Folgeabschätzung bereits aus fiskalischen Erwägungen auf die Einführung der Infrastrukturabgabe für Pkw in der jetzigen Form zu verzichten“.

An beiden Gutachten – Schulz wie Ratzenberger – missfällt Eisenkopf, dass „eine elastische Reaktion“ auf die Mauteinführung gerade bei Tagesdienstreisen und Privatfahrten nicht in Rechnung gestellt werde, das also ausländische Straßennutzer sich anders verhalten als bisher.

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