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Berliner Modell. Bauherren sollen Grundstücke nur bekommen, wenn sie eine bestimmte Quote von geförderten Wohnungen zusichern.

© Jens Kalaene/dpa

Innen-Staatssekretär Gunther Adler: "Wir müssen deutlich mehr für bezahlbaren Wohnraum tun"

Innen-Staatssekretär Gunther Adler spricht im Interview über Finanzhilfen für soziales Bauen, Unterstützung für Einkommensschwache und steigende Mietpreise.

Herr Adler, am 21. September fand der Wohngipfel im Kanzleramt mit der Bundeskanzlerin statt. Aber trotzdem, viel ist nicht erreicht, oder?

Das stimmt nicht. Dass wir deutlich mehr für bezahlbaren Wohnraum tun müssen, haben wir sowohl im Koalitionsvertrag als auch auf dem Wohngipfel beschlossen. Da besteht Konsens. Sehen Sie sich die Abschlussvereinbarung des Wohngipfels an: Mit dem Wohngipfel haben wir Ergebnisse in einer Fülle und Bandbreite erreicht, wie wir es so noch nie hatten. Um hier nur mal ein Beispiel zu nennen: In der geplanten Baugesetzbuch-Novelle wird dem Wohnungsbau Vorrang eingeräumt und Baugenehmigungen werden erleichtert. Das kann deutliche Verbesserungen im Bausektor bringen. Und es wird das Bauen beschleunigen.

Gut möglich, aber das sind Geschenke an die Baubranche, für die Mieter ist nichts rausgesprungen, oder?

Jede neu gebaute Wohnung entlastet den Markt und nutzt so den Mietern. Der Gipfel hat die Voraussetzungen dafür geschaffen, Mietwohnungen zu bauen. Dazu brauchen wir die Investoren. Wenn wir ausreichend Wohnungen anbieten können, werden sich perspektivisch die Mietpreise wieder auf einem Normalniveau einpendeln. Davon bin ich überzeugt. Darüber hinaus hat die Bundesregierung das Mietrechtsanpassungsgesetz, mit dem beispielsweise das Herausmodernisieren verhindert wird, auf den Weg gebracht. Das ist schon eine ganze Menge.

Wie passt das zusammen mit der Streichung der Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau von 1,5 auf eine Milliarde Euro?

Das ist so nicht richtig, wir machen hier mehr als je zuvor. Keine Streichung, sondern Erhöhung! Damit sich der Bund ab 2020 überhaupt an der Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus beteiligen darf, werden wir das Grundgesetz ändern. Der Bund wird dann für die Jahre 2020 und 2021 zwei Milliarden Euro Finanzhilfen für den sozialen Wohnungsbau bereitstellen. Die Kompensationsmittel, mit denen der Bund die Länder beim sozialen Wohnungsbau seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 unterstützt, dürfen nur noch bis 2019 überwiesen werden. Die Länder bekommen dafür im Gegenzug aber an anderer Stelle mehr Geld. Ab 2020 werden den Ländern mit dem Auslaufen der Kompensationsmittel zusätzliche Umsatzsteuerpunkte zur Verfügung gestellt. Damit wurde einer ausdrücklichen Forderung der Länder entsprochen. Diese zusätzlichen Mittel für die Länder sind in den fünf Milliarden Euro, die der Bund in dieser Legislaturperiode für den sozialen Wohnungsbau an die Länder überweist, noch gar nicht enthalten, sondern kommen noch hinzu.

Die von ihren vorgelegte Planung sieht künftig den Neubau von 27.000 Sozialwohnungen statt 29.000 vor. Das ist nicht mehr, das ist weniger, oder?

Natürlich wäre mir ein Mehr lieber. Hier sind aber die für den sozialen Wohnungsbau zuständigen Länder in der Pflicht, die Finanzierung des Bundes angemessen aufzustocken und natürlich erleichtert die Entwicklung der Baukosten das Geschäft nicht. Eine Milliarde bringt hier heute weniger als früher. Außerdem sind die Baugeldzinsen so niedrig, dass sich kein Investor mehr niedrige Mieten für eine Dauer von 15 Jahren mit einem Zinsvorteil von 0,3 Prozent abkaufen lässt. Das geht nur mit Zuschüssen.

Selbst wenn Sie den Bauherren Geld schenken, machen die meisten einen Bogen um den sozialen Wohnungsbau. Wie wollen Sie das ändern?

Durch die Vergabe von Bauland über Konzeptvergaben. Nur wer eine bestimmte Quote von geförderten Wohnungen errichtet, bekommt das Grundstück. Das ist das Wirkungsvollste zurzeit.

Das Berliner Modell also, aber das läuft schlecht.

Am Ende machen die Investoren aber doch mit. Hamburg macht das so, München auch und die haben zum Teil höhere Quoten von Sozialwohnungen, bis zu 50 Prozent. Das funktioniert. Und für private Flächen gibt es das Vorkaufsrecht der Kommunen.

Gunther Adler (SPD) ist Staatssekretär im CSU-geführten Innen- und Heimatministerium der Experte für Bau- und Wohnungspolitik.
Gunther Adler (SPD) ist Staatssekretär im CSU-geführten Innen- und Heimatministerium der Experte für Bau- und Wohnungspolitik.

© imago/Metodi Popow

Die Unionsparteien gelten eher als Partei der Bau- und Grundeigentümer. Hat Ihr Dienstherr, Heimatminister Horst Seehofer(CSU), ein Bewusstsein für sozialen Wohnungsbau?

Ja. Bei unserem ersten Gespräch sagte er zu mir: Herr Adler, bezahlbares Wohnen, das ist die soziale Frage unserer Zeit. Das ist ihm ausgesprochen wichtig.

Die Gutachter beim CDU-geführten Bundesministerium für Wirtschaft fordern die Abschaffung von Mietpreisbremse und Sozialem Wohnungsbau. Herrscht da Konsens?

Keiner in der Bundesregierung würde unterschreiben, dass sich die Politik in diesen Punkten rausziehen sollte. Natürlich ist es immer eine Herausforderung, einen gerechten und gangbaren Mittelweg zu finden. Wie ich Mieter- und Vermieter-Interessen ins Gleichgewicht bringen kann zum Beispiel. Ich bin grundsätzlich dafür, gründlich zu evaluieren und die Stellschrauben zu prüfen statt alle drei Monate wieder nachzujustieren.

Mehr Wohngeld würde vielen schon helfen. Stattdessen schrumpfen die Mittel von 540 auf 510 Millionen Euro, warum?

Das liegt zu einem wesentlichen Teil an den steigenden Einkommen. Soweit sich die Lage der Wohngeldempfänger dadurch real verbessert, ist das positiv zu sehen. Rein nominale Einkommensanstiege bedeuten für die Menschen aber nicht mehr Kaufkraft. Wenn das Wohngeld hierdurch sinkt, müssen wir gegensteuern. Zudem werden die Regelbedarfe für die Grundsicherung, also Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe, jährlich fortgeschrieben. Hierdurch wechseln Wohngeldhaushalte in die Grundsicherung, da die Haushalte ihren Bedarf nicht mehr mit eigenem Einkommen und Wohngeld decken können. Deshalb wollen wir mit einer Wohngeldreform zum 1. Januar 2020 das Leistungsniveau und die Reichweite des Wohngelds stärken.

Das sehen Mieterverbände anders: Viele Menschen zahlen die Hälfte ihres Einkommens für die Wohnung. Trotzdem bekommen sie kein Wohngeld. Die Grünen fordern eine Verdoppelung, sofort.

Das ist wie die Forderung nach 365 Feiertagen im Jahr. Ich bin für seriöse Vorschläge immer offen, aber mit solchen Forderungen untergräbt man das Vertrauen in die Politik. Denn selbst wenn wir das wollten, wir könnten es nicht. Denn beim Wohngeld gibt es eine Kofinanzierung der Länder, alle 16 Ministerpräsidenten müssten also mitziehen und rechtzeitig die Voraussetzungen in den Länderhaushalten schaffen. Was wir anpeilen ist eine Erhöhung zum 1. Januar 2020. Das ist schon sportlich. Zumal umfangreiche Berechnungen Voraussetzung dafür sind.

Unvernünftig ist es aber wohl nicht, das Wohngeld an die Entwicklung der Mieten zu koppeln?

Sagen wir so: Die letzte Erhöhung war im Jahr 2016, davor 2009. Davor hatten wir noch größere Abstände. Wenn wir die nächste Erhöhung 2020 hinbekommen, ist das doch ein guter und zügiger Schritt. Ich finde, bei all dem müssen wir auch aufpassen, dass mit überzogenen und unhaltbaren Forderungen nicht den Populisten in die Karten gespielt wird.

Wie gedenkt die Bundesregierung die Probleme im ländlichen Raum zu lösen?

Die Schlagwörter sind hier Ortskernaktivierung und Ortskernrevitalisierung. Aus der Städtebauförderung fließt bereits ungefähr die Hälfte der Mittel in den ländlichen Raum, also eine halbe Milliarde Euro pro Jahr. Wir haben ein eigenes Programm zur Sanierung kommunaler Einrichtungen auf den Weg gebracht. Die Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse widmet sich dem Thema Raumordnung und damit den Problemen der Menschen gerade in ländlichen Gebieten. Der Bund unterstützt die Länder bei der Bereitstellung eines bedarfsgerechten öffentlichen Nahverkehrs. All das tun wir, damit die Menschen in Deutschland dort gut leben können, wo sie gerne leben wollen. Dieses Ziel steht hinter all unseren Vorhaben.

Das Gespräch führte Ralf Schönball.

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