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Innenministerkonferenz (IMK) in Hannover: Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (links) will mehr Macht für das Bundesamt für Verfassungsschutz. Noedersachsens Innenminister Boris Pistorius (rechts) zeigt sich "befremdet".

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Innenministerkonferenz in Hannover: Friedrich fordert mehr Macht für den Bundesverfassungsschutz - zum Ärger der Länder

In einem Punkt herrscht bei der Innenministerkonferenz Einigkeit: Der Verfassungsschutz soll effektiver werden. Doch es droht Ärger. Die Länder fühlen sich von Friedrichs neuem Gesetzesentwurf übergangen.

Von Frank Jansen

Über das Ziel sind sie sich einig, in einem wichtigen Detail auf den Weg dahin hingegen nicht. Bei ihrer Frühjahrstagung in Hannover hat die Innenministerkonferenz (IMK) betont, dass der Verfassungsschutz effektiver werden muss – doch dann brach erneut der Konflikt auf zwischen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und seinen Länderkollegen, vor allem denen der SPD, über die künftigen Kompetenzen des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV). Friedrich legte am Freitag einen Entwurf zur Neufassung des Bundesverfassungsschutzgesetzes vor, der dem BfV Einsätze in den Ländern gestattet, auch wenn diese das nicht wollen. „Das haben wir schon im Herbst abgelehnt“, fauchte Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) bei der Pressekonferenz zum Ende des Treffens. Friedrich habe „ein Eigentor geschossen“ mit dem Versuch, „im Windschatten“ der IMK das BfV zu einer „Megabehörde“  aufzuwerten.

Jäger und seine Länderkollegen ärgerten sich auch darüber, dass sie den Gesetzentwurf des Bundesinnenministers erst am Freitag bekamen und dann kaum noch Zeit blieb, sich bei der Tagung mit dem Inhalt zu beschäftigen. „Befremdet“ zeigte sich auch der derzeitige IMK-Vorsitzende, Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD). Am meisten stört die Länder jedoch, dass sie ihre Verfassungsschutzbehörden im Gesetzentwurf zu Handlangern des BfV degradiert sehen. In dem Papier wird Paragraf 5 Absatz 3, im bestehenden Gesetz nur ein dürrer Satz, beträchtlich erweitert.

Künftig soll das BfV bei gewaltsamen Bestrebungen von Extremisten in einem Land dort „im Benehmen mit der Landesbehörde“ Informationen sammeln dürfen „sowie die Koordinierung ihrer Beschaffung und die zentrale Auswertung übernehmen“. Der Begriff „im Benehmen“ bedeutet nicht, dass ein Land zustimmen muss. Wie zu verfahren wäre, sollte es sich weigern, steht im Entwurf nicht.

Friedrich verwahrte sich gegen die harsche Kritik und hielt Jäger vor, er befinde sich „schon im Wahlkampfmodus“. Der Bundesinnenminister will mit dem Gesetzentwurf eine Konsequenz aus dem NSU-Desaster ziehen. Bei der Suche nach dem untergetauchten Trio hatten die Verfassungsschutzbehörden mehrerer Länder das BfV nur punktuell informiert. Einen koordinierten und kontinuierlichen Einsatz gab es nicht.

Einigkeit herrscht beim Umgang mit V-Leuten

Unstrittig ist hingegen der künftige Umgang mit V-Leuten. Die IMK verständigte sich darauf, dass keine Extremisten mehr angeworben werden, wenn sie schwere Straftaten begangen haben. Außerdem sollten die Honorare der Verfassungsschutzbehörden für die V-Leute „nicht deren Lebensgrundlage darstellen“, sagte Jäger. Die Minister wollen auch auf V-Personen verzichten, die eine Organisation steuern. Im Jahr 2003 hatte das Bundesverfassungsgericht das Verbotsverfahren gegen die NPD eingestellt, weil der Verfassungsschutz leitende Parteifunktionäre als V-Männer führte.

Aus Sicht der IMK soll das BfV eine „Registratur“ sämtlicher V-Leute der Verfassungsschutzbehörden einrichten. Die Minister wollen damit ausschließen, dass die von einem Land geführte „Quelle“ von einem weiteren Land angeworben wird, das von der schon woanders praktizierten Spitzelei nichts ahnt. In dem Register sollen jedoch keine Klarnamen von V-Personen auftauchen.

Offen bleibt, wie die Innenminister die Kluft zwischen der offiziellen Zahl der Todesopfer rechter Gewalt seit der Wiedervereinigung und den Ergebnissen der Recherchen des Tagesspiegels und weiterer Zeitungen schließen wollen. Die Polizei spricht von bundesweit 63 Toten, die Medien kommen auf 152. Eine konzertierte Aktion zur Prüfung der bislang nicht als politisch motiviert eingestuften Tötungsverbrechen lehnte der CDU-Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier (CDU), jedoch ab. Die Kollegen in Sachsen-Anhalt und Brandenburg haben allerdings eine umfassende Prüfung der Fälle eingeleitet, die ihre Länder betreffen. Sachsen-Anhalt hat bereits drei Verbrechen nachträglich als rechts motiviert eingestuft.

Beim Thema Salafisten überraschte Friedrich die IMK dann erneut mit einem Gesetzentwurf. Über den Inhalt gerieten sich die Minister aber zumindest öffentlich nicht in die Haare. Friedrich will die Ausweisung gewaltbereiter religiöser Extremisten deutlich erleichtern. Sie soll schon zwingend erfolgen, wenn ein   ausländischer Salafist nach einer Straftat rechtskräftig zu mindestens einem Jahr Haft ohne Bewährung verurteilt wurde. Bislang ist gesetzlich eine Ausweisung erst bei einer Haftstrafe von drei Jahren vorgesehen.

Gespalten ist die IMK bei der Frage, ob die Videoüberwachung im öffentlichen Raum ausgeweitet werden soll. Friedrich warb dafür, auch der CDU-Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier, sprach von einem „bewährten Mittel“ zur Abschreckung potenzieller Straftäter und zur Aufklärung von Delikten. Doch die SPD-Minister haben Bedenken, auch die im Bund mitregierende FDP hat Friedrich gegen sich.

Der Bundesinnenminister und die IMK-Kollegen sind allerdings einer Meinung, wenn es um die Promillegrenze bei Radfahrern geht. „Mit dem gültigen Grenzwert von 1,6 Promille kann niemand sicher auf zwei Rädern unterwegs sein“, sagte Pistorius. Die IMK schlägt den Justiz- und Verkehrsministern vor, angesichts der vielen Unfälle mit angetrunkenen Fahrradfahrern die Promillegrenze zu senken. Welcher Wert anzustreben sei, wollten die in Hannover versammelten Innenminister den Kollegen in den Justiz- und Verkehrsressorts aber nicht vorgeben. Im Gespräch ist allerdings eine Grenze bei 1,1 Promille.

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