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Innere Sicherheit: In welchem Staat leben wir eigentlich?

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat mit Plänen zur Nutzung biometrischer Passbilder bei der Strafverfolgung scharfe Kritik ausgelöst.

Berlin - Wie sein Ministerium am Donnerstag bestätigte, soll die Polizei künftig automatisiert auf die digitalen Bilder der neuen Pässe zugreifen können. Die Grünen warnten vor einem "Überwachungsmoloch Orwell'schen Ausmaßes". Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sieht die Freiheit "scheibchenweise verloren" gehen. Der Koalitionspartner SPD will dem Vorhaben nur in eingeschränkter Form zustimmen. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz, betonte, ein polizeilicher Zugriff auf biometrischen Passfotos komme allenfalls "in begründeten Eilfällen" in Frage, "etwa nachts oder am Wochenende, wenn die Meldeämter geschlossen sind". Es könne aber gut sein, dass die SPD auch dies nicht wolle, denn die Partei stehe Schäubles Vorhaben generell mit "erheblicher Skepsis" gegenüber.

Weiter gehende Unions-Forderungen nach einem Zugriff auch auf die Fingerabdrücke der neuen "E-Pässe" lehnte Wiefelspütz als "verfassungswidrig" ab. Damit würde die Praxis der erkennungsdienstlichen Behandlung auf den Kopf gestellt. "Fingerabdrücke dürfen nur dann genommen werden, wenn ein konkreter Tatverdacht besteht." Der oberste Datenschützer Schaar kritisierte die Pläne als "Wortbruch". Bei Einführung der E-Pässe habe die Bundesregierung "hoch und heilig versprochen, es gibt keine zentralisierte Referenzdatei". Nun komme man auf dem Umweg der Vernetzung der 5300 Pass- und Personalausweisregister "zu genau demselben Ergebnis". Schaar warnte vor einer "vollständigen erkennungsdienstlichen Datei der gesamten Bevölkerung", die in einem nächsten Schritt mit der Videoüberwachung kombiniert werden könne. Das Bundeskriminalamt hatte kürzlich ein System getestet, das Gesichter aus Menschenmengen herausfiltert und diese sofort mit Bildern aus einer Datenbank vergleicht.

Reisepässe mit Chip

Schon seit Ende 2005 enthalten neue Reisepässe einen Chip, auf dem das digitalisierte Passbild gespeichert ist. Ab kommendem November soll die zweite Generation der Biometrie-Pässe auch digitalisierte Fingerabdrücke beinhalten. Nach dem Passgesetz dürfen die biometrischen Daten nur auf dem Pass gespeichert und zudem lediglich zur Identifizierung des Passinhabers verwendet werden. Die Gesetzesnovelle, die die Zugriffsrechte der Polizei ausweitet, könnte noch vor der Sommerpause in Kraft treten. Eine Sprecherin des Innenministeriums betonte, eine dauerhafte Speicherung von Fingerabdrücken sei "gegenwärtig nicht vorgesehen". Der Innenexperte der Grünen, Wolfgang Wieland, sagte: "Wir erwarten von der SPD, dass sie diesen maßlosen Überwachungswahn umgehend stoppt." Mit der Schaffung einer Zentraldatei der Biometriedaten aller Deutschen werde "jeder rechtsstaatliche Rahmen endgültig gesprengt".

Die FDP kritisierte Schäubles Pläne als "völlig unverhältnismäßig". Der Staat verlange maßlos nach immer mehr Daten. "Jetzt muss endlich Schluss sein", sagte Fraktionsvize Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach wies darauf hin, dass die Polizei auf Antrag schon heute Passbilder zur Aufklärung von Verkehrsordnungswidrigkeiten abfragen dürfe. Dies solle künftig zur Verfolgung von Straftaten lediglich auch online und außerhalb der Dienstzeiten möglich sein. (tso/ddp)

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