zum Hauptinhalt

Politik: Innere Unsicherheit

Von Klaus Bachmann, Den Haag Eigentlich hätten es normale Wahlen werden sollen. Doch nach der Ermordung des Rechtspopulisten Pim Fortuyn ist in den Niederlanden alles anders.

Von Klaus Bachmann, Den Haag

Eigentlich hätten es normale Wahlen werden sollen. Doch nach der Ermordung des Rechtspopulisten Pim Fortuyn ist in den Niederlanden alles anders. Noch vor kurzem drehte sich für politische Beobachter alles darum, ob die sozialdemokratische „Partei der Arbeit“ (PvdA) oder der zweitgrößte Koalitionspartner, die rechtsliberale VVD, stärkste Partei werden würde. Beide regieren seit acht Jahren zusammen mit den Linksliberalen. Seit dem Tod Fortuyns sind indes die Erfolgsaussichten seiner Rechtsaußen-Partei „Liste Pim Fortuyn“ (LPF) weiter gestiegen. Nach der jüngsten Umfrage würde die Liste auf Anhieb zur zweitstärksten Partei werden. Im Parlament könnten demnach bis zu 28 von insgesamt 150 Sitzen von der LPF gestellt werden. Stärkste Partei werden Umfragen zufolge die Christdemokraten.

Die Sozialdemokraten rechnen inzwischen damit, sich nach der Wahl von der Macht verabschieden zu müssen. Im letzten Herbst hatte Ministerpräsident Wim Kok dann für die Zeit nach der Wahl seinen Rückzug aus der Politik angekündigt und den bisherigen Fraktionschef im Parlament, Ad Melkert, zu seinem Nachfolger gekürt. Doch Melkert, im Ausland wenig bekannt und ohne Charisma, tat sich schwer mit dem Erbe der Symbolfigur Kok. Außerdem unterschätzten die Sozialdemokraten den rasanten Aufschwung der neuen Rechten ebenso wie die Unzufriedenheit im Wahlvolk über die Fehler und Versäumnisse der letzten acht Jahre.

Besonders in den letzten vier Jahren der Koalition Kok ging immer mehr schief: Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge für Infrastrukturprojekte kam es zu Korruptionsaffären, die Wartezeiten im Gesundheitssystem für Operationen betragen inzwischen Monate, und das Unterrichtswesen erhält im internationalen Vergleich schlechte Noten.

Doch ein Thema hat die Regierung Kok vollkommen verkannt: die innere Sicherheit. Während nach dem 11. September die meisten europäischen Länder neue Sicherheitsgesetze verabschiedeten, regierte Den Haag langsam und nachlässig. Sie behielt einen Justizminister im Amt, der zuließ, dass Zoll und Polizei am Flughafen Schiphol Drogenkuriere freiließen, weil es nicht genug Zellen für Untersuchungshäftlinge gab. Steigende Kriminalitätsraten in den großen Städten ließen den Ruf nach einem starken Staat auch schon vor dem 11. September laut werden. Die Regierung ignorierte, dass sich in der Öffentlichkeit ein gewaltiger Bewusstseinswandel vollzogen hatte. Auch Monate nach den Terrroranschlägen gab es in den Niederlanden niemanden, der das Thema innere Sicherheit deutlich politisch besetzte.

Das war die Chance für die neue Rechte. Bereits in den neunziger Jahren hatten die lokalen Gruppierungen „Leefbaar Hilversum“ und „Leefbaar Utrecht“ Erfolge in beiden Städten feiern können. Ende 2001 entstand daraus eine nationale Partei unter dem n „Leefbaar Nederland“. Spitzenkandidat wurde der Rotterdamer Soziologieprofessor Fortuyn, der schnell die Themen Einwanderung und innere Sicherheit für sich entdeckte. Wegen seiner Forderung nach einem Einwanderungsstopp für Moslems setzte ihn die Leefbaar-Führung vor die Tür - doch getrennt waren Fortuyn und Leefbaar nur noch attraktiver für die Wähler.

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false