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Politik: Innerer Widerstand

Die Kritik an der ablehnenden Haltung der Union beim Thema Zuwanderung wächst. Inzwischen rügen nicht nur Vertreter aus Kirche und Wirtschaft die C-Parteien für ihre Verweigerungshaltung gegenüber Otto Schilys Gesetzentwurf.

Die Kritik an der ablehnenden Haltung der Union beim Thema Zuwanderung wächst. Inzwischen rügen nicht nur Vertreter aus Kirche und Wirtschaft die C-Parteien für ihre Verweigerungshaltung gegenüber Otto Schilys Gesetzentwurf. Auch innerhalb der Union regt sich Widerstand gegen die offizielle Parteilinie.

Die Innenminister von Bremen und Brandenburg, Kuno Böse und Jörg Schönbohm (beide CDU), wollen im Streit um das geplante Zuwanderungsgesetz einheitlich vorgehen. Beide streben einen Kompromiss mit Innenminister Otto Schily (SPD) an und könnten damit die nötige Bundesratsmehrheit sicherstellen. Nach Informationen des Tagesspiegel wollen sie innerhalb ihrer jeweiligen großen Koalition erreichen, dass entweder beide oder keines der zwei Länder dem Gesetz zustimmen. Allerdings nannte Böse der "Tageszeitung" zwei Bedingungen für die Zustimmung: Er will die Altersgrenze für nachziehende Kinder senken und hat Bedenken gegen einen Abschiebeschutz für nichtstaatlich verfolgte Frauen.

Auch in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wenden sich immer mehr Abgeordnete gegen den klaren Konfrontationskurs. Sie weisen etwa darauf hin, dass die Unions-Kritik am Schily-Entwurf dem widerspreche, was zahlreiche Parteigremien vor einigen Monaten noch selbst gefordert hätten. Offen wagt sich bislang nur der CDU-Menschenrechtspolitiker Christian Schwarz-Schilling mit seiner Kritik nach vorn.

Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach und der innenpolitische Sprecher Erwin Marschewski haben nun ein Argumentationspapier verfasst - eine Handlungsanweisung, wie die Ablehnung zu begründen sei. Schon jetzt sei klar, dass das Gesetz "für CDU und CSU nicht zustimmungsfähig sein kann". Das Papier hinterlasse einen "bedauerlichen und hochproblematischen Eindruck", sagt Schwarz-Schilling. Es dränge sich der Eindruck auf, dass den Wichtigen in der Union nicht mehr an einem sachlichen Kompromiss gelegen sei, weil man mit dem Thema im Wahlkampf punkten wolle. Das Fraktionspapier kritisiert etwa, dass Schily "kein Gesamtkonzept" vorgelegt habe, obwohl der Regierungsentwurf umfassender ist als das unter Federführung des saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller entstandene Unions-Konzept.

Die Anhänger eines baldigen Zuwanderungsgesetzes in der Union bemängeln ohnehin, dass sich die Partei mittlerweile weit vom eigenen Müller-Papier entfernt habe. Denn so scharf wie die Union jetzt den von der Regierung geplanten Abschiebeschutz für die Opfer von nichtstaatlicher Verfolgung kritisiert, klang das nicht immer. Noch im Müller-Papier findet sich die Formulierung, auch die Union müsse sich der Problematik dieser Opfer bewusst sein. Es habe damals in der Müller-Kommission den stillen Konsens gegeben, den Opfern nichtstaatlicher Verfolgung einen Abschiebeschutz und einen gesicherten Aufenthaltsstatus zu gewähren, berichten Teilnehmer. Das wäre genau jene Regelung, die Schily nun vorsieht. Schwarz-Schilling etwa wundert sich auch über Punkt zehn des Fraktionspapiers zur Zuwanderung: "Einfache bzw. ausreichende Sprachkenntnisse", die im Schily-Entwurf als Voraussetzung für eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis verlangt werden, reichten für eine erfolgreiche Integration nicht aus, heißt es dort. Im nächsten Satz ist aber vom hohen staatlichen Interesse die Rede, dass Ausländer "die deutsche Sprache beherrschen". Dieser Unterschied erschließt sich nicht jedem. Der von Bosbach und Marschewski am Ende des Papiers geäußerten Bitte, "in ihrem Wahlkreis für diese Position zu werben", werden viele Fraktionsmitglieder jedenfalls nicht nachkommen.

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