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Politik: Ins gelobte Land

600 afrikanische Flüchtlinge landen täglich auf den Kanaren – angelockt von Verheißungen im Internet

Die Beschreibung des Flüchtlingslebens in Spanien klingt verlockend und ganz nach einem Paradies: „Dort wirst Du besser essen als in Senegal, hast eine kostenlose Unterkunft und wirst auch noch gratis telefonieren können.“ Mit solchen Sprüchen werben afrikanische Internetseiten unter ihren Landsleuten für eine Auswanderung nach Europa. Aber besonders nach Spanien – „dem tolerantesten Land der Welt“ in Sachen Ausländerpolitik.

Kein Wunder, dass angesichts solcher Verheißungen vom gelobten Land die Zahl der Wirtschaftsflüchtlinge, die auf den Kanarischen Inseln ankommen, immer mehr zunimmt. 500 bis 600 illegale Immigranten landen derzeit im Schnitt täglich auf den zu Spanien gehörenden Urlaubsinseln; insgesamt 22 000 seit Jahresanfang. Die meisten Flüchtlingsboote starten aus dem Senegal. Hinzu kommen weitere 5000 Afrikaner, die seit Januar mit ihren Booten an der südspanischen Festlandsküste anlandeten.

„Die massiven Bootsfahrten sind eine gute Lösung für die senegalesischen Männer - besonders für die jungen“, heißt es auf einer westafrikanischen Internetseite. Und es sei auch ganz einfach: Wenn „alle Männer eines Dorfes“ ihr Geld zusammenlegen, könnten sie ohne Probleme ein Boot kaufen. „Ein Kahn mit einem guten Motor kostet nicht mehr als 4500 Euro“ – also bei 50 Passagieren nicht mehr als 50 Euro pro Kopf. Für Benzin, Lebensmittel und Schwimmwesten müssten noch einmal 150 Euro kalkuliert werden. Wenn die Fahrt gut organisiert werde, „gibt es kein Risiko bei der Fahrt übers Meer“. Auch wird den Immigranten geraten, ihre Personalpapiere wegzuwerfen. „Nicht identifizierbar zu sein, ist der Schlüssel zum Erfolg.“ In der Tat können die spanischen Behörden derzeit nur rund zehn Prozent der illegalen Einwanderer abschieben. Die große Mehrheit muss spätestens nach 40 Tagen auf freien Fuß gesetzt werden. Einmal in der Freiheit, heißt es weiter, könne man sich im grenzenlosen Europa „das Land aussuchen, in dem Du leben willst“.

Ähnliche Anleitungen für illegale Einwanderer finden sich auch auf anderen afrikanischen Internetseiten, die sogar Routen, Orientierung auf dem Meer und gute Landungspunkte auf den Kanaren beschreiben. In vielen afrikanischen Städten und Dörfern gibt es heute Internetcafes, vor denen junge Männer Schlange stehen. Die Gebrauchsanweisungen passen zu den Berichten der Flüchtlinge – meistens sind sie nicht mit einer Menschenmafia übers Meer gereist, sondern haben ihre Passage selbst organisiert.

Die spanische sozialdemokratische Regierung unter Ministerpräsident Jose Luis Zapatero droht inzwischen, „dass alle, die illegal nach Spanien kommen, früher oder später das Land wieder verlassen müssen“. Eine Ankündigung, die schwerlich umzusetzen sein wird. Außenminister Miguel Angel Moratinos fordert daher auch , dass das Land seine Grenzen weiter „dicht machen“ müsse. Moratinos zeigte aber auch Verständnis für die Motive der afrikanischen Illegalen, die „getrieben werden von Armut, Ungleichgewichten, Arbeitslosigkeit, Mangel von Zukunftsperspektiven, politischer Instabilität, fehlenden Menschenrechten und Unwürdigkeit der Lebensbedingungen“.

Der kanarische Regierungschef Adán Martín indes hat der spanischen Regierung und der EU Untätigkeit vorgeworfen. „Wie viele Tote muss es noch geben, damit endlich etwas unternommen wird?“, beklagte er. Nach offiziellen Angaben sind bei den gefährlichen Überfahrten in diesem Jahr etwa 600 Bootsflüchtlinge ertrunken. Hilfsorganisationen gehen sogar von bis zu 3000 Toten aus.

Ralph Schulze[Madrid]

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