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Politik: „Interkulturelle Vielfalt hat Grenzen“

Der SPD-Innenpolitiker Wiefelspütz über die Lage in den Niederlanden – und Folgen für Deutschland

Herr Wiefelspütz, sind wir dabei, die gleichen Fehler wie die Niederlande in der Ausländerpolitik zu machen?

Ich glaube, dass die Niederländer Anteilnahme verdient haben. Fehlentwicklungen bei der Integration kommen auch in Deutschland vor. Die können sich in Verbindung mit politischen Konstellationen, die aus ganz anderen Teilen dieses Erdballs importiert werden, zu kriminellen Handlungen verdichten. Wir müssen unsere Integrationsanstrengungen in Deutschland intensivieren – deswegen ja auch das Zuwanderungsgesetz. Man muss die Situation hier nicht dramatisieren, darf aber nicht so naiv sein zu glauben, wir seien gefeit vor Gewaltexplosionen wie in den Niederlanden.

Weiß man so wenig über das, was in den Moscheen gepredigt und diskutiert wird, weil man es sich sicherheitspolitisch zu leicht macht?

Für mich ist ein Muslim nicht in erster oder dritter oder vierter Linie ein Sicherheitsrisiko. Es geht darum, das Zusammenleben zu intensivieren. Dazu gehört das Fördern und das Fordern. Toleranz hat Grenzen, interkulturelle Vielfalt hat Grenzen. Diese Grenzen wollen wir markieren – mit dem Selbstbewusstsein einer Gesellschaft, die das Recht dazu hat.

Wenn Sie in Berlin-Neukölln oder in westdeutschen Städten unterwegs sind – sprechen Sie zur Beschreibung der Situation von „Parallelgesellschaften“?

Es gibt Ansätze dazu. Allerdings glaube ich, dass wir ausländischen Mitbürgern mehr Lebenschancen anbieten müssen. Arbeit, Bildung, Kultur sind die Schlüsselwörter. Wer hier Arbeit hat, wer sich kulturell wiederfindet, muss sich nicht extremistisch abspalten von dieser Gesellschaft. Die Arbeitslosigkeit unter Migranten ist zu hoch, die Bildungsdefizite sind erschreckend, Sprachkompetenz lässt oft zu wünschen übrig. Da darf man sich nicht wundern, dass sich so etwas zu Gewalttaten verdichtet. Beginnende Parallelgesellschaften bedeuten auch immer: Der eine interessiert sich nicht für den anderen ...

... und der andere nicht für den einen ...

Das ist eine Sache auf Gegenseitigkeit. Integration findet aber nicht im Nirwana statt, sie findet in Deutschland statt. Sicher muss sich die Gesellschaft öffnen. Von denen, die kommen, wird man ein gutes Stück mehr verlangen mögen. Denn sie leben dann in Deutschland und nicht mehr 2000 oder 3000 Kilometer entfernt. Auch das gehört zur Wahrheit einer Einwanderungsgesellschaft. Es bedeutet, dass es klare Grenzen gibt. Wenn sie übertreten werden, muss das sanktioniert werden.

Theo van Gogh, der Künstler, der in Amsterdam brutal ermordet worden ist, hat Angehörige der islamischen Kultur bewusst provoziert. Haben wir hier deshalb keine Eskalation der Gewalt, weil die Künstler politisch korrekter sind und weniger provozieren?

Man sollte solche schrecklichen Gewalttaten nicht überhöhen. Zu dieser Gesellschaft gehört eben auch, pathetisch gesagt, das Böse. Ich hoffe, dass diese Anschlusstaten in den Niederlanden bald aufhören und dass man dies in den Griff bekommt.

Die Union diskutiert, ob man sich nach rechts öffnen soll. Erwarten Sie, dass von dort aus Front gemacht wird gegen das Zuwanderungsgesetz und den Konsens, den es ausdrückt?

Wer mit solchen Gedanken spielt, spielt mit dem Feuer. Ich bin überzeugt, dass die vernünftigen Kräfte in der Union die Überhand haben.

Die Fragen stellte Werner van Bebber.

Dieter Wiefelspütz (58) ist seit 1998

innenpolitischer

Sprecher der

SPD-Fraktion

im Bundestag. Er hat für die SPD das

Zuwanderungsgesetz verhandelt

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