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Kurt Beck

© dpa

Interview: Kurt Beck: "Wir hätten die Reißleine früher ziehen sollen"

Anstelle der fröhlichen Eröffnung eines Erlebnisparks, mit dem Arbeitsplätze geschaffen werden sollten, wartet Kurt Beck nun auf die Rücküberweisung von 95 Millionen Euro Steuergeldern. Im Interview mit dem Tagesspiegel spricht er über Rücktritte und Reißleinen.

Herr Beck, eigentlich wollten Sie am Donnerstag die Eröffnung des Erlebnisparks Nürburgring fröhlich feiern. Jetzt haben sie ein finanzielles Desaster und Ihnen fehlt mit dem Finanzminister eine Säule Ihres Kabinetts. Was ist da schief gelaufen?

Erstmal: Die Entscheidung für die Investition war richtig. Da ist ja was Großes entstanden. Wir mussten in der Region Eifel investieren, die Alternative wären Straßen oder Dorferneuerung gewesen, das machen wir sowieso. Jetzt aber schaffen wir zusätzlich 50 Millionen Euro Wertschöpfung im Jahr, haben 500 zusätzliche Arbeitsplätze. Die sind schon fast alle eingestellt, nicht erst in der Zukunft. Und wir sichern 1000 Arbeitsplätze in der Gegend. Es war immer klar, dass das im Zweifel so finanziert wird, wie wir das dann jetzt machen.

Das klingt, als gebe es keine Probleme. Haben Sie nicht zu lange auf die Künste Ihres als Finanzfuchs geltenden Ministers Deubel gesetzt ohne das zu hinterfragen?

Der Versuch war prinzipiell richtig. Es war ein Modell, das sich jetzt als nicht werthaltig erwiesen hat. Der Finanzminister führt sein Ressort nach der Verfassung eigenverantwortlich. Ich habe die Richtlinienkompetenz, die ich ausgeübt habe.

Nochmal: Warum haben Sie so lange gewartet?

Wir hatten eine letzte Frist für die private Finanzierung gesetzt, die am Montag ablief. In der Vergangenheit haben wir uns immer wieder berichten lassen, die Antworten waren immer plausibel, zum Beispiel der Verweis auf die Finanz- und Wirtschaftskrise. Am Montag war das zugesagte Geld nicht da. Also haben wir die Reißleine gezogen. Aus heutiger Sicht hätten wir das früher tun müssen.

Warum haben Sie so lange auf ein Modell gesetzt, das doch sehr nach Cross-Border-Leasing aussieht, von dem jeder Fernsehzuschauer seit Monaten weiß, dass viele Kommunen sich damit verzockt haben? Warum haben Sie sich auf einen US-Finanzier eingelassen, der mit dem Aufkauf von Lebensversicherungen, also dem Schicksal anderer Leute Geld macht?

Zum einen: Alle renommierten Banken handeln mit solchen Produkten. Zu dem anderen Punkt hat mein Fraktionschef die richtigen Worte gefunden: Wenn der Nachbar sein Auto verkaufen muss, ist nicht der unschicklich, der das Auto kauft. Das Modell spielte aber schon länger keine Rolle mehr.

Es heißt auch, Sie seien vermutlich einem Betrüger, einem Schweizer Finanzier mit Sitz in Dubai aufgesessen.

In den letzten Tagen sind Zweifel an dem Modell aufgekommen. Es geht darum, ob die Wahrheit gesagt worden ist, ob alle Dokumente stimmen. Aber ich kann nicht belegen, dass dort etwas Betrügerisches passiert ist. Minister Deubel hatte mir über die Vorwürfe gegen den Schweizer Finanzier vor einiger Zeit berichtet, dieser sei in dem Verfahren in Dubai der Geschädigte, nicht der Beklagte. Das ist aber kein Grund, einen Vertrag zu kündigen. Ich kann das nicht prüfen. Aber es war eine ungewöhnliche Nichteinhaltung von Zusagen. Deshalb ist jetzt die Staatsanwaltschaft eingeschaltet worden. Die Nürburgringgesellschaft hat am Mittwoch mit Aufsichtsratsbeschluss alle Verträge gekündigt. Die 95 Millionen Liquiditätsnachweis inklusive Zinsen werden aus der Schweiz zurück überwiesen.

Ihr Finanzminister ist zurückgetreten. War das alles?

Konsequenter Verantwortung zu übernehmen, als durch den Rücktritt des Ressortchefs kann man ja kaum. Und wie das so meine Art ist, habe ich gleich einen Nachfolger vorgeschlagen. Am Freitag früh wird er im Parlament vereidigt, am Nachmittag trifft sich der Finanzausschuss in nichtöffentlicher Sitzung. Und natürlich werden wir Lehren daraus ziehen, zum Beispiel bei der Gestaltung des Aufsichtsrats. Der Finanzminister wird sicher nicht mehr gleichzeitig dort sitzen. Wenn die Zeit wieder günstiger ist, werden wir uns aber noch mal um eine private Finanzierung bemühen. Ich werde dafür kämpfen, dass das Projekt Nürburgring nicht kaputt geredet wird. Da ist eine Touristenattraktion entstanden, das sind Baumaßnahmen, die wir andernorts in der Republik gerade mit Milliarden aus dem Konjunkturprogramm anschieben.

Wird Ihnen bei all der Finanzjongliererei nicht ganz schwindelig, wenn Sie an Opel denken?

Ich gehe am Samstag zur Betriebsversammlung nach Kaiserslautern. Meine Einschätzung ist, dass wir gemeinsam eine gute Chance haben, zu einem Abschluss mit Magna zu kommen. In den Verhandlungen ist der Zugriff auf das geistige Eigentum klar geregelt. Ich hoffe, dass der Kern der Verhandlungen im Sommer abgeschlossen wird. In den nächsten Tagen tagt der Bürgschaftsausschuss, ich hoffe, dass da Eckpunkte für Staatsgarantien und die drei Milliarden Kredit festgelegt werden. Alles andere, was derzeit zu hören ist, ist Störfeuer. Auch von General Motors, um den Preis zu seinen Gunsten in die Höhe zu treiben. Darauf sollte man nicht reinfallen. Wir Länder beharren darauf, dass es dabei bleibt, was im Kanzleramt mit Absegnung der US-Regierung, GM, der Bundesregierung und der vier Länder verabredet wurde.

Wie sehen Sie die Zusammenarbeit mit dem Bund?

Die ist gut, auch mit den CDU-Ländern. Was der Bundeswirtschaftsminister macht, ist eher eine nachlaufende Trotzhaltung. Es gibt keine anderen Investoren, die Chinesen hatten kein Angebot gemacht. Er wollte die Insolvenz. Da hätte ich nur sagen können: Viel Freude bei dem Chaos, wenn wir Insolvenzen nach dem Recht so vieler Länder hätten machen wollen. Eine Horrorvorstellung. Das wäre Marktbereinigung, aber keine Rettung von Arbeitsplätzen.

Und die eigenen Genossen in der Regierung, deren Chef Sie ja vor einem Jahr noch waren?

Die verhalten sich sehr anständig.

Denken Sie sich beim Blick auf die Umfragen und in Erinnerung an die Verletzungen durch die eigene Partei nicht manchmal, das hättet Ihr auch mit mir haben können?

Ich halte nichts von nachträglicher Kritikasterei. Ich kann nur sagen, es liegt nicht daran, ob der Parteivorsitzende einen Bart hat oder nicht. Das ist für mich eine abgeschlossene Phase.

Wie sieht der Kontakt zur SPD inzwischen aus?

Ich werde sie unterstützen, indem ich Wahlkampf in ganz Deutschland mache.

Wo wird die SPD am 27.9. abschneiden?

Kopf an Kopf mit der Union.

Das heißt in Prozent?

Zahlen werden Sie von mir keine hören.

Das Gespräch führte Ingrid Müller.

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