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Weber

© pa/dpa

Interview: "Merkel hat unsere Wähler nicht mobilisiert"

Der CSU-Politiker Manfred Weber fordert, dass die Union sich neben klassischen Themen mehr um berufstätige Mütter kümmern soll.

Die CSU ist bei der Bundestagswahl in Bayern auf 42,6 Prozent abgestürzt – was hat Parteichef Horst Seehofer im Wahlkampf falsch gemacht?



Horst Seehofer hat die CSU in den letzten Monaten wieder aufgerichtet und bei der Europawahl ein hervorragendes Ergebnis geholt. Wahlergebnisse sind immer Mannschaftsleistungen, im Guten wie im Schlechten. Wir haben an Glaubwürdigkeit verloren und als Unionsparteien insgesamt zu wenig Ideen und Profil herausgearbeitet. Der Wahlkampf war konturlos. Dieser auf Angela Merkel zugeschnittene präsidiale Wahlkampf hat unsere Wähler nicht mobilisiert.

Was sind denn die Lehren aus dem Wahldebakel?

Wir sind zuletzt zu vielen verschiedenen Strömungen nachgelaufen. Wir müssen unsere Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit zurückgewinnen. Dazu brauchen wir einen klaren Kurs und eine Besinnung auf unsere Stärken und Wurzeln. Die CSU hat über 60 Jahre Modernität und Wertebezogenheit zusammengebracht. Wir dürfen aber Modernität nicht mit Beliebigkeit verwechseln. Eine Erneuerung kann nur auf einem festen Wertefundament erfolgen. Wenn CDU und CSU nicht eine ähnliche Entkernung wie die SPD durchmachen wollen, müssen wir schnell von Grund auf eine Erneuerung schaffen und unsere Volksparteien neu definieren.

Sie fordern eine „bürgerlich-konservative Erneuerung“ Ihrer Partei – wie soll die denn aussehen?

Die Menschen spüren, wenn Politik nur Stimmungen aufgreift. Wir müssen deutlich machen, dass wir auf Grundlage des christlichen Menschenbildes handeln, etwa beim Lebensschutz konsequent bleiben und die Familienpolitik viel mehr in den Mittelpunkt rücken. Wir denken viel zu wenig aus Sicht der Kinder und haben auch die Rolle und Herausforderungen moderner Frauen kaum im Blick. Hier wird eine echte Revolution notwendig sein, wenn wir Frauen helfen wollen, wirklich die Herausforderungen Familie, Kinder und Beruf zu bewältigen. Genauso müssen wir klassische konservative Themen ansprechen. Es wäre fatal, wenn CDU und CSU jetzt ihre Haltung für einen wachsamen Staat in der inneren Sicherheit und eine restriktive Zuwanderungspolitik in die Sozialsysteme wegen der FDP aufgeben würden.

Welche Themen muss die CSU wieder stark machen?

Wir wollen die Menschen mit einem spannenden Zukunftsentwurf gewinnen. Nicht Mainstream und Zeitgeist, sondern Kreativität und Profil sind gefragt. Wir stehen vor riesigen Herausforderungen wegen der überbordenden Staatsverschuldung, demografischen Entwicklung oder wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich. Wenn wir diese Fragen nicht mutig und überzeugend auf Basis unserer Grundsätze beantworten, dann werden die Unionsparteien an Vertrauen verlieren. Wir müssen mit einem übergreifenden politischen Ansatz die Diskussion über die Welt von morgen bestreiten und die Meinungsführerschaft übernehmen. Dafür haben wir im Grundsatzprogramm das Leitbild einer solidarischen Leistungsgesellschaft entwickelt.

Lässt sich damit tatsächlich die Mitte halten, die Jugend gewinnen, die Partei ins 21. Jahrhundert führen?

Ja, natürlich. Wir wissen, dass sich gerade junge Menschen nach Orientierung und Werten sehnen. Genauso haben wir einen neuen Trend zur Religiosität. Junge Menschen wünschen sich die Geborgenheit der Familie und treten unverkrampft patriotisch auf. CDU und CSU können ihre Grundsätze in die Gegenwart übersetzen. Dann müssen wir aber, auch wenn es unbequem wird, standhaft bleiben und dürfen nicht den Eindruck der Beliebigkeit vermitteln oder anderen hinterherlaufen.

Haben die Volksparteien als Volksparteien überhaupt noch eine Zukunft?

Wenn CDU und CSU nicht den Zerfallsprozess der SPD gehen wollen, dann brauchen wir Mut: Mut, zu unseren Grundsätzen zu stehen. Und wir brauchen starke Persönlichkeiten, die die christlichen, konservativen und liberalen Strömungen vertreten.

Das Gespräch führte Michael Schmidt.

Manfred Weber (37) ist Präsidiumsmitglied der CSU und Abgeordneter im Europaparlament. Dort gehört der frühere JU-Politiker zur Fraktionsführung der konservativen Europäischen Volkspartei.

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