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Interview mit Bischof Walter Mixa: "Krippenplätze allein schaffen keine Wahlfreiheit"

Der Augsburger Bischof Walter Mixa verteidigt seine Position zum Krippenausbau. Im Interview mit dem Tagesspiegel fordert er eine "echte Wahlfreiheit" für die Familien.

Herr Bischof, sind Sie nun eigentlich grundsätzlich für oder gegen den Ausbau der Krippenplätze?

Meine Kritik an der Politik der Bundesregierung richtet sich in erster Linie gegen die einseitige Förderung der frühkindlichen Fremdbetreuung. Dadurch werden finanzielle Mittel gebunden, die den Familien fehlen, die ihre Kinder in den ersten drei Jahren selbst erziehen wollen. Selbstverständlich weiß ich auch, dass in der aktuellen Situation mehr Krippenplätze akute Notlagen lindern können. Mein Bistum stellt derzeit über 1.400 Krippenplätze für bis zu drei jährige Kinder zur Verfügung. Das sind übrigens doppelt so viele wie im Amtsbezirk von Bischöfin Käßmann. Dennoch widerspreche ich einer Politik, die aus der Notlösung einen gesellschaftspolitischen Regelfall machen will.

Die ganze Diskussion dreht sich immer um die Frauen. Was ist mit den Männern?

Natürlich bekommen nur die Frauen Kinder und dies ist eine ganz besondere Berufung der Frau. Neben der Mutter ist aber immer auch der Vater gefordert. Mutter und Vater sind von Natur aus die eigentlichen Experten in der Kindererziehung und können von keinem noch so qualifizierten Pädagogen ersetzt werden.

Müssen die Väter viel mehr als bisher zuhause bleiben und Erziehungsjahre einlegen?

Wir brauchen insgesamt in unserem Land familiengerechte Arbeitsplätze und nicht arbeitsgerechte Familien. Mütter wie Väter müssen sich mehr Zeit für ihre Kinder nehmen, was bei den heutigen Arbeitsbedingungen sicher nicht immer einfach aber auf jeden Fall lohnend ist.

Auch Männer können in Teilzeit arbeiten. Ermutigen Sie die Männer, diese Möglichkeit mehr als bisher wahrzunehmen?

In diesem Zusammenhang bin ich auch für eine klare Wahlfreiheit. Ehepaare müssen selbst entscheiden, wie sie ihre Partnerschaft und die Erziehung ihrer Kinder gestalten. Der Staat sollte hier nicht hineinreden, muss aber die Rahmenbedingungen für größtmögliche Wahlfreiheit schaffen.

Woher nehmen Sie Ihre Überzeugung, "dass nur die Frauen eine so persönliche Beziehung zu dem Kind aufbauen können"?

Jeder von uns hat eine Mutter gehabt und weiß daher, dass die Beziehung des Kindes zu seiner Mutter durch nichts vollwertig ersetzt werden kann. Da bedeutet natürlich nicht, dass nicht auch der Vater eine persönliche Beziehung zum Kind aufbaut. Diese ist sogar besonders wichtig, unterscheidet sich aber grundlegend von der Beziehung zur Mutter.

Auf welcher Grundlage basiert Ihre Aussage, wonach 70 Prozent der Frauen in Arbeit gezwungen würden, wenn es mehr Krippenplätze gäbe? Wieso 70 Prozent?

So habe ich das niemals formuliert. Ich habe vielmehr kritisiert, dass die Familienexperten der großen Koalition eine 70 - 80 prozentige Erwerbstätigkeit von Frauen anstreben. Das macht die erwerbstätige Mutter zum ideologischen Programm. Wir müssen in unserer Gesellschaft die wertvolle Arbeit von Müttern und Hausfrauen viel stärker anerkennen. Sie nehmen heute schon die wichtige Aufgabe wahr, ein menschliches Zuhause mit einer humanen Atmosphäre zu schaffen. Wenn ich sage "Hausfrau" so bedeutet dies natürlich, dass auch Hausfrauen und selbsterziehende Mütter über eine berufliche oder akademische Ausbildung verfügen sollten.

Für viele Akademikerinnen ist der Beruf sehr wichtig, weil sie sich hier entfalten können, Selbstbestätigung bekommen. Haben Sie Verständnis dafür?

Selbstverständlich! In meiner jahrzehntelangen pastoralen Praxis als Stadtpfarrer bin ich aber auch immer wieder Akademikerinnen begegnet, die sich in den ersten Lebensjahren ihrer Kinder mit Begeisterung der Kindererziehung gewidmet haben, um etwas später nach und nach wieder in den Beruf einzusteigen. Sie haben das nie bereut, sondern die Jahre mit ihren Kindern als echte Bereicherung empfunden.

Sie werfen Frau von der Leyen vor, die Diskussion zu ideologisieren. Aber ist Ihr Familienbild nicht genauso ideologisch geprägt?

Frau von der Leyen ideologisiert die Diskussion, weil sie einseitig auf den Ausbau der Fremdbetreuung setzt. Das entspricht nicht den Wünschen der meisten Familien. Ich trete wie viele meiner Bischofskollegen für eine echte Wahlfreiheit ein, die es zum Beispiel durch ein Erziehungsgeld in den ersten drei Jahre auch alleinerziehenden und finanziell schlechter gestellten Müttern erlaubt, zwischen der Erziehung ihrer Kinder oder einer externen Erwerbstätigkeit zu wählen.

In vielen Familien arbeiten Väter und Mütter, auch weil die Familien von einem Gehalt gar nicht leben könnten. Familie und Arbeit zu vereinbaren, bringt viele an den Rand ihrer Kräfte. Wie könnte eine pragmatische Lösung aussehen?

Dies ist der Kernpunkt meiner Kritik. Wir sollten Familien, die auf zwei Gehälter angewiesen sind, durch ein großzügig bemessenes Erziehungsgeld in die Lage versetzen, sich selbst unter Verzicht auf die zeitweise Erwerbstätigkeit eines Partners der Erziehung ihrer Kinder widmen zu können. Diese Wahlfreiheit schafft die einseitige Ausweitung der Krippenplätze nicht.

Tauschen Sie sich mit Vätern und Müttern aus? Welche Wünsche und Hoffnungen werden an Sie herangetragen?

Ich habe für meine Position in den letzten Wochen rund 3.000 E-mails von Müttern und Eltern, darunter auch viele Akademiker, erhalten. Über 80 Prozent der Zuschriften haben mich ermutigt, meine Position offensiv darzustellen und den Eltern, die sich heute noch schwer tun, sich in den ersten Lebensjahren allein der Erziehung ihrer Kinder zu widmen, eine Stimme zu geben. Natürlich bin ich bei zahllosen Besuchen in den Pfarreien meines Bistums, das 1,5 Millionen Katholiken zählt, ständig auch im intensiven Gespräch mit jungen Familien. (Die Fragen stelle Claudia Keller)

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