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Bernd Schwenk ist Regionaldirektor der Deutschen Welthungerhilfe für Mali, Burkina Faso und Niger.

© Jung/Welthungerhilfe

Interview mit einem Entwicklungshelfer: „In viele Gebiete kann ich nicht mehr fahren“

Bernd Schwenk hat schon in vielen Krisenländern gearbeitet. Angst hatte der Entwicklungsexperte der Deutschen Welthungerhilfe nie. Aber Terror und Gewalt haben seine Arbeit und sein Leben verändert.

Herr Schwenk, Sie sind seit 30 Jahren in der Entwicklungshilfe. Ist Ihr Job gefährlicher geworden?

Die Sicherheitsanforderungen sind in der Tat höher geworden. Früher hatte man einen Sicherheitsplan im Ordner, den man einmal im Jahr herausgeholt hat, um ihn zu überprüfen. Heute beschäftigen wir uns täglich mit Sicherheitsfragen.

Was hat sich aus Ihrer Sicht verändert?
Ich war schon in vielen Konfliktländern: Tschad, Südsudan, Somalia, Kongo. Das war natürlich nie ungefährlich. Es gab Kriminalität und auch Unfälle. Früher gab es aber eine Art stille Übereinkunft zwischen Konfliktparteien, humanitäre Helfer nicht anzugreifen. Das gilt nicht mehr. Wir sind heute in vielen Ländern sogar direkte Anschlagsziele, nicht weil wir Helfer sind, sondern einfach, weil wir Ausländer sind.

In Mali und auch in Burkina Faso haben Islamisten Anschläge auf Hotels und Restaurants verübt. Auch dort wollten sie gezielt Ausländer treffen. Wie nah waren Sie dran?
Ich kenne alle drei Anschlagsorte: das Cappuccino in Ouagadougou, das Ende Januar angegriffen wurde, habe ich schon besucht, und auch das Lokal La Terrasse in Bamako, das im März 2015 von einem Terrorkommando gestürmt wurde. Und im Radisson-Hotel in Bamako habe ich schon zu Mittag gegessen. Als das Hotel Ende November letzten Jahres überfallen wurde, war ich noch zu Hause. Unser Fahrer, der mich abholen wollte, sagte, er habe Schüsse gehört. Ich bin dann daheim geblieben und habe meine Kollegen angerufen, um zu verhindern, dass sie sich auf den Weg machen. Viele wären direkt an dem Hotel vorbeigekommen. Es liegt nur rund 500 Meter von unserem Büro entfernt.

Können Sie in Bamako, wo Sie wohnen, abends allein auf die Straße gehen?
Zu Fuß gehen ist hier nicht so üblich. Schon wegen der Temperaturen. Meist gibt es auch gar keinen Bürgersteig. Spaziergänge im Dunkeln sind daher nicht ratsam. Grundsätzlich kann ich mich aber frei bewegen. Es gibt auch keine schwarze Liste mit Lokalen, in die wir nicht gehen dürfen. Klar ist natürlich, dass Orte, an denen sich viele Ausländer aufhalten, gefährlicher sind als andere. Man überlegt sich daher schon genau, wo man hingeht. Die unauffällige Kneipe an der Ecke ist also sicherer als ein großes Hotelrestaurant. Andererseits möchte man natürlich dahin gehen, wo etwas los ist und wo man Leute trifft, die man kennt. Manche Restaurants haben die Sicherheitsvorkehrungen erhöht und Stahltüren eingebaut. Supermärkte, die von Ausländern besucht werden, haben Mauern oder Sicherheitsschranken mit Metalldetektoren errichtet. Oder man wird von Sicherheitskräften abgetastet. Ob sich Selbstmordattentäter von so etwas aufhalten lassen, bezweifle ich allerdings.

Haben Sie manchmal Angst?
Angst direkt nicht, aber man ist schon aufmerksamer, schaut genau, was um einen herum passiert. Für Kollegen, die mit ihren Familien hier sind, gilt das natürlich ganz besonders. Ich persönlich gehe seltener weg, und ich vermeide Regelmäßigkeiten. Ich nehme nicht immer dieselbe Route zur Arbeit und versuche auch die Uhrzeiten zu variieren.

Sie betreuen Projekte in Mali, Burkina Faso und Niger. Alle drei gelten als riskant oder hoch riskant. Was bedeutet das für Ihre Arbeit?
Bevor ich in bestimmte Projektgebiete fahre, versuchen meine einheimischen Mitarbeiter beispielsweise Kontaktpersonen dort anzurufen, um sich über die Lage zu informieren. Außerdem arbeiten wir mit einer Agentur zusammen, die Hilfsorganisationen Vorkommnisse in ihren jeweiligen Projektgebieten meldet. Wenn es irgendwo einen Menschenauflauf gibt, habe ich die Information sofort auf meinem Handy. Dennoch gibt es inzwischen viele Gebiete, die ich gar nicht mehr besuchen kann, weil es zu gefährlich wäre. Die Projekte dort werden von unseren lokalen Partnern betreut. Natürlich in enger Abstimmung mit uns. Für solche Fälle mussten wir ganz neue Methoden entwickeln. So wird die Projektarbeit beispielsweise von den Partnern durch Fotos dokumentiert und via Handy übermittelt. Wo möglich setzen wir auch moderne Kommunikationsmittel wie Skype ein, aber da stehen wir noch am Anfang.

In Mali engagiert sich Deutschland auch militärisch. Geraten Sie als Deutscher dadurch noch mehr ins Visier von Extremisten?
Nein, das glaube ich nicht. Grundsätzlich haben wir als Deutsche hier einen sehr guten Ruf. Ich fühle mich daher auch nicht konkret bedroht.

Bernd Schwenk (59) ist Regionaldirektor der Deutschen Welthungerhilfe für Mali, Burkina Faso und Niger. Er lebt und arbeitet in Bamako, der Hauptstadt Malis. Seine erste Station in Afrika war 1985 Somalia.

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