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Spahn

© Imago

Interview mit Jens Spahn: ''Das wird uns noch mal auf die Füße fallen''

Der CDU-Politiker Jens Spahn sitzt seit 2002 im Bundestag. Der 27-Jährige hat als einer der wenigen in seiner Partei die Rentenerhöhung kritisiert - und ist dafür selbst heftig kritisiert worden.

Herr Spahn, ist das, was Sie gerade erleben, der oft zitierte Generationenkonflikt?

Ich möchte keinen Konflikt zwischen den Generationen. Ich sehe ihn auch nicht. Das Verhältnis zwischen jüngeren Menschen und ihren Eltern und Großeltern ist nach allen Studien so gut wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik. Da sollte auch nichts künstlich herbeigeredet werden. Zum offenen und fairen Umgang der Generationen gehört aber auch, ehrlich über die Dinge zu reden.

Was ist an der Rentenerhöhung unehrlich?

Unehrlich ist daran nichts, sie ist aber problematisch. Die Erhöhung schnürt den bestehenden Rentenkompromiss, der nur mühsam gefunden wurde, auf. Der Kompromiss besagt, dass die Jüngeren länger arbeiten, nämlich bis 67, einen höheren Beitrag zahlen und dafür ein wesentlich geringeres Rentenniveau erwarten dürfen. Im Gegenzug haben die Älteren gedämpfte Rentenanpassungen. Dass diese Vereinbarung jetzt ausgesetzt wird, treibt mich um. Das wird uns noch mal auf die Füße fallen.

Warum?

Spätestens nächstes Jahr steigen die Renten wegen der aktuellen Lohnabschlüsse deutlich stärker als in den vergangenen Jahren. Das Prinzip, das dieser Entwicklung zugrunde liegt, sollten wir auch jetzt einfach wirken lassen. Denn das wir jetzt in Zeiten des Aufschwungs nicht gemachte Rentendämpfungen ab 2012 nachholen werden, fällt schwer zu glauben.

Was wäre denn gerecht?

Eine Debatte über die Inflation in Deutschland, die das Leben nicht nur für Rentner, sondern auch für viele Familien mit Kindern und Beitragszahler deutlich teurer macht. Als Beispiele nenne ich die Preisentwicklung bei Energie und Lebensmitteln. Da habe ich großes Verständnis für die Situation vieler Rentner, die auf jeden Euro schauen müssen. Die Teuerung hat auch politische Gründe. Darüber sollten wir nachdenken.

Gibt es schon eine generationengerechte Politik oder ist das nur eine Worthülse?

Politik läuft immer Gefahr, im Hier und Jetzt zu agieren und das, was in 15 oder 20 Jahren ist, nicht in den Blick zu nehmen. Das ist menschlich, aber wenig nachhaltig. Viele ältere Menschen schreiben mir, dass es eigentlich Blüm, Dressler und Co. waren, die vor 20, 25 Jahren diese Entwicklung hätten erkennen müssen, sie aber ausgeblendet und die Probleme von heute mit zu verantworten haben.

Ist diese Art der Verantwortungslosigkeit nicht ein grundsätzliches Problem der Politik?

Es ärgert mich zumindest, wenn diese Politiker heute in Talkshows sitzen und uns erzählen, was wir alles falsch machen, während wir eigentlich nur dabei sind, die Suppe, die uns eingebrockt wurde, auszulöffeln.

Von wem erfahren Sie Unterstützung?

Von jüngeren Menschen, aber auch viele Ältere sagen mir, ich solle zum Wohle ihrer Kinder und Enkel standhaft bleiben.

Die Senioren-Union in Ihrem Wahlkreis teilt Ihre Ansichten nicht.

Ich habe den Eindruck, dass viele Senioren diese Diskussion führen wollen. Wenn vereinzelt etwas anderes gefordert wird, nehme ich das zur Kenntnis.

Das ist jetzt aber durch die rosa Brille betrachtet. Der Landesvorsitzende der Senioren-Union will verhindern, dass Sie nochmals in den Bundestag einziehen.

Ich bin schon überrascht von der Heftigkeit mancher Reaktion. Im Nachhinein sage ich, dass ich bei meiner Wortwahl vielleicht etwas vorsichtiger hätte sein sollen. Im Grundsatz halte ich an meiner sachlichen Kritik an der Rentenerhöhung aber fest. Ich bin jederzeit zu kontroversen Diskussionen bereit.

Würden Sie für eine politische Überzeugung das Risiko in Kauf nehmen, Ihr Mandat zu verlieren?

Ich möchte meine Meinung innerhalb einer politischen Debatte frei und offen sagen dürfen. Das habe ich jetzt getan und werde es auch in Zukunft tun. Mit der Diskussion in der Fraktion gestern Nachmittag ist die öffentliche Debatte zur Rentenerhöhung für mich aber beendet. Denn natürlich akzeptiere ich die dortige Mehrheitsmeinung.

Das Gespräch führte Lutz Haverkamp.


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