zum Hauptinhalt
Ungarns Präsident Viktor Orban mit EVP-Fraktionschef Manfred Weber

© dpa

Grünen-Politiker Giegold: „Frage mich, ob Weber als Kommissionspräsident geeignet ist“

Mit dem Rauswurf von der ungarischen Fidesz aus der EVP ist es nicht getan, sagt der Grünen-Europapolitiker Giegold. Die Parteien müssten ihre Werte überdenken.

Sven Giegold ist Spitzenkandidat der Grünen für die Europawahl. Der Wirtschaftswissenschaftler sitzt seit 2009 für die Grünen im Europaparlament.

Herr Giegold, an diesem Mittwoch entscheidet die Europäische Volkspartei, ob die ungarische Regierungspartei Fidesz Teil der konservativen Parteienfamilie in Europa bleiben kann, zu der auch CDU und CSU gehören. Sollte die EVP einen Schlussstrich ziehen?

Der Rauswurf von Fidesz ist überfällig. Aber damit ist es nicht getan. Die Europäische Volkspartei muss sich grundlegend mit ihrem Verhältnis zu den europäischen Grundwerten beschäftigen. In Bulgarien regieren die Konservativen mit den Rechtspopulisten – und auch bei einigem, was ich aus Österreich höre, frage ich mich, was das noch mit christlich-bürgerlicher Politik zu tun hat.

Der CSU-Politiker Manfred Weber ist Spitzenkandidat der EVP bei der Europawahl und will der nächste Kommissionspräsident werden. Geht er entschlossen genug gegen den ungarischen Regierungschef Viktor Orban vor, der immer wieder mit anti-semitischen Äußerungen provoziert und zuletzt mit einer antieuropäischen Plakatkampagne, die sich auch persönlich gegen EU-Politiker richtet?

Manfred Weber bewirbt sich darum, Hüter der europäischen Verträge zu werden. Als Chef der Kommission ist man dafür zuständig, in hunderten von Fällen das Recht der EU gegen Mitgliedsländer zu verteidigen, die sich daran nicht halten. Ich frage mich zunehmend, ob Manfred Weber für dieses Amt geeignet ist. Mit Herrn Orban war er bislang jedenfalls nicht konsequent genug.

Warum?

Im letzten September hat das Europaparlament ein Verfahren gegen Ungarn eingeleitet, weil dort Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundwerte systematisch bedroht sind. Manfred Weber hat noch nicht einmal seine CSU-Abgeordneten dazu bringen können, für das Artikel-7-Verfahren zu stimmen. Es ist ihm auch nicht gelungen, innerhalb der CSU eine klare Korrektur des Verhältnisses der Partei zu Viktor Orban zu erreichen. Und nun ist er offenbar auch nicht bereit, in der EVP- Parteienfamilie die Maßstäbe anzulegen, auf die wir uns in Europa verständigt haben. Da stellt sich durchaus die Frage der Glaubwürdigkeit und Führungsstärke.

Sven Giegold hält in Leipzig seine Bewerbungsrede für die Wahl auf Listenplatz zwei der Europaliste. (Archivbild 2018)
Sven Giegold hält in Leipzig seine Bewerbungsrede für die Wahl auf Listenplatz zwei der Europaliste. (Archivbild 2018)

© Hendrik Schmidt/ZB/dpa

Weber hat Orban drei Bedingungen gestellt, damit Fidesz EVP-Mitglied bleiben kann. Er soll die europafeindliche Palaktkampagne stoppen und sich bei den anderen EVP-Parteien entschuldigen. Außerdem soll eine von George Soros gegründete Universität dauerhaft in Budapest bleiben dürfen. Reicht das?

Nein, natürlich nicht. Die Bedingungen haben ja nur Symbolcharakter. Das eigentliche Problem ist doch, dass Viktor Orban den demokratischen Rechtsstaat aushöhlt. Immer mehr Medien sind dort in Hand von Unternehmen und vermögenden Privatpersonen im Umfeld der Fidesz-Partei und es gibt eine Beschränkung der Zivilgesellschaft, die demokratiegefährdend ist. Es wird aggressiv Stimmung gemacht gegen Andersdenkende, die unsägliche Plakatkampagne ist doch nur die Spitze des Eisbergs. Das Justizsystem wird systematisch geschwächt. Offensichtlich sorgt Herr Weber sich vor allem um den Zusammenhalt in seiner Parteienfamilie – und nicht um die europäischen Werte. Grundwerte müssen über Parteiloyalität stehen.

Was muss Weber ändern, wenn er nach der Europawahl bei der Wahl zum Kommissionspräsidenten die Stimmen der Grünen bekommen will?

Das Minimum ist, dass er für die Durchsetzung von europäischem Recht sorgt. Im Übrigen ist überhaupt nicht klar, dass Manfred Weber Favorit für das Amt des Kommissionspräsidenten ist. Dafür muss man schließlich eine Mehrheit im Europaparlament zusammenbringen. Und das können andere Spitzenkandidaten oder besser noch eine Kandidatin womöglich besser - insbesondere, wenn er so weiter macht wie bisher.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false